IHS-Chef: Kapital wird Bogen um EU machen

Skepsis gegen Finanztransaktionssteuer

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer werde Kapital verteuern und einen Bogen um Europa machen lassen, warnt der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer. Er befürchtet Nachteile für Investitionen und Arbeitsmarkt.

Mittagsjournal, 28.09.2011

"Kapital wird Bogen um Europa machen"

Was immer mehr Politiker fordern, stößt bei manch Ökonomen zumindest auf Skepsis, etwa beim Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer. Mit der Finanztransaktionssteuer allein sei Spekulation nicht zu verhindern. Wobei überhaupt zu definieren sei, was Spekulation ist. Hinzu komme die Belastung der Banken durch die deutlich höhere Eigenkapitalvorsorge und außerdem, so Felderer, werde Kapital durch die Steuer auf Umsätze teurer. Und: "Sie können nicht erwarten, dass das Kapital so dumm ist und dort hingeht, wo es zusätzlich eine Steuer zahlen muss, sondern das wird natürlich aufgeschlagen für den End-User. Und das bedeutet, dass das Kapital teilweise, abhängig davon wie groß die Steuer wird, einen Bogen um Europa machen wird."

"Schnitt ins eigene Fleisch"

Felderer erwartet auch eine negative Wirkung auf die Wirtschaft, denn Investitionen von heute seien die Arbeitsplätze von morgen: "Es gibt einen direkten Link zum Arbeitsmarkt und der Anzahl der angebotenen Stellen. Je mehr wir Kapital und Banken besteuern, schneiden wir uns ins eigene Fleisch."

Der IHS-Chef geht nicht davon aus, dass die Finanztransaktionssteuer so schnell und in allen EU-Staaten kommt. Die Kommission hat keine Steuerhoheit, es bedarf der Zustimmung der nationalen Parlamente. Ein klares Nein kommt derzeit etwa aus Großbritannien. London wäre von der Steuer massiv betroffen, weil dort - in einem der europäischen Finanzzentren - viel umgesetzt wird.

Alte Idee harrt der Umsetzung

Totgesagte leben länger – das gilt einmal mehr für die Finanztransaktionssteuer. Spätestens seit der Pleite der US Bank Lehman Brothers ist die Idee wieder quicklebendig. Wiederbelebt worden ist die Steuer von Anhängern des britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Er hatte wollte schon 1930er-Jahren eine Abgabe auf Finanzgeschäfte als eine Konsequenz aus der Weltwirtschaftskrise. Bis heute ist eine Steuer, die alle Finanztransaktionen umfasst, jedoch in keinem Land eingeführt.

In Finanzrahmenentwurf enthalten

Die Pläne der Kommission sind im Entwurf für den Finanzrahmen 2014 bis 2020 nachzulesen. Den internen Berechnungen zufolge soll der Steuersatz 0,1 Prozent auf den Handel von Aktien sowie Anleihen betragen und 0,01 Prozent für so genannte Derivate, also im weitesten Sinne Termingeschäfte mit Aktien und Anleihen. Die Höhe der Einnahmen schätzt die Kommission auf mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr - sofern die Steuer in allen 27 Ländern der Europäischen Union gilt. Offen ist auch noch, ob die einzelnen Länder höhere Sätze verlangen dürfen. Die Einnahmen will die Kommission für den eigenen Haushalt verwenden.

Wohnsitzprinzip

Mit der Maßnahme will die Kommission den Handel mit jenen Finanzprodukten zumindest unattraktiv machen, die gerade zur kurzfristigen, wie es heißt exzessiven Spekulation auf Kursentwicklungen genutzt werden. Fällig werden soll die Abgabe dann, wenn einer der beiden Geschäftspartner in einem EU Staat agiert. Somit würden auch Banken etwa aus den USA mit zahlen. Banken aus den EU Staaten müssten wiederum für alle Umsätze zahlen, die sie abwickeln - egal wo auf der Welt. Es gilt das Wohnsitzprinzip. Die EU will auf diese Weise verhindern, dass europäische Banken ihre Geschäfte auf einen anderen Kontinent verlagern.

Steuerfrei bleiben soll hingegen der private Zahlungsverkehr, einfache Überweisungen von Haushalten sowie Unternehmen und ebenso das Devisengeschäft.