Hilde Spiels Roman neu aufgelegt

Verwirrung am Wolfgangsee

Das Salzkammergut war eine der Lebenslandschaften Hilde Spiels, vor allem die Gegend rund um den Wolfgangsee. Schon als junge Frau verbrachte die Autorin so manchen Sommer zwischen Strobler Strandbad und den Cafés von Sankt Wolfgang, und die eine oder andere Konfusion der Gefühle, die sie dort erlebt haben mag, wird wohl Pate gestanden haben bei der Entstehung von Hilde Spiels Roman.

"Verwirrung am Wolfgangsee" ist in politisch bewegter Zeit entstanden: Mitte der 1930er Jahre. Hilde Spiel war gerade einmal 24 Jahre alt, als sie den Roman in einem Leipziger Verlag publizierte. Eine beachtliche Talentprobe, wie man auch ein dreiviertel Jahrhundert nach dem Erscheinen des Romans feststellen darf.

Ferienreise nach Österreich

Es handelt sich um eine luftig-leichte Sommergeschichte, mit der Hilde Spiel da aufwartet, bemerkenswerterweise aus der Perspektive eines männlichen Ich-Erzählers vorgetragen. Ein junger Belgier namens Vincent unternimmt zusammen mit seinem Freund Pierre und einem älteren, nicht besonders lebenstüchtigen Schullehrer eine Ferienreise nach Österreich. Die drei Touristen landen in Sankt Wolfgang, wo sie bei einer Bootspartie zwei junge Wienerinnen kennenlernen, Therese und Gundel.

Verzauberung des Sommers

Mit leichter Hand schildert Hilde Spiel, wie die jungen Leute sich näherkommen. In Sankt Wolfgang, damals noch wirklich mondän, tummeln sich Amerikaner, Balten, Briten und Franzosen. Und Gundel und Therese, die beiden Wienerinnen, verstehen es, ihre belgischen Verehrer zu bezaubern.

Vinzent und Pierre können sich nicht entscheiden, in welches der Mädchen sie sich jeweils verlieben sollen. Vice versa gilt das Gleiche. Auf dem Höhepunkt der emotionalen Verwirrungen ergreifen die Belgier die Flucht. Sie reisen weiter nach Lambach, Linz und Wien - und kehren nach wenigen Tagen doch reumütig an den Wolfgangsee zurück.

Bäumchen-wechsle-dich

Stilsicher und mit einem beachtlichen Gespür für die Macht der Zwischentöne läßt Hilde Spiel die jungen Leute einander umtänzeln und umschwänzeln, auf für heutige Begriffe unerhört keusche Weise übrigens. Ob im Strobler Casino oder beim Kammermusik-Konzert in der Edelschmidt-Villa: Pierre nähert sich mit schamhaftem Charme Therese an und Vincent dem Fräulein Gundel, einen Tag später heißt's Bäumchen-wechsle-dich und wieder einen halben Tag später ist alles noch einmal ganz anders: eine verwirrende Mischkulanz der Gefühle.

Dabei sind die politischen Ereignisse in Europa mehr als beunruhigend: In Deutschland hat soeben ein krakeelender Rechtsextremist die Macht übernommen, in Österreich herrscht eine halbfaschistische Diktatur, und der ganze Kontinent taumelt auf einen verheerenden Krieg zu, aber das weiß zu diesem Zeitpunkt natürlich noch niemand. Das politische Donnergrollen aus den Hauptstädten Europas dringt in Hilde Spiels Roman nur als fernes Echo in die sommerliche Idylle des Salzkammerguts vor.

"Leicht und melodiös"

Hilde Spiels Roman wurde, als er 1935 erschien, freundlich aufgenommen. Auch Hermann Hesse hat das Buch gelobt. Der Autor des "Steppenwolf" schrieb über das Werk der jungen Kollegin aus Österreich: "Eine reizvolle, spielerisch-graziöse Sommer- oder Feriengeschichte von jungen Menschen, Autofahrten, Flirts, Gefühlsverwirrung - das alles höchst begabt und lustig geschildert, leicht und melodiös.

Dem ist wenig hinzuzufügen. Hilde Spiels Roman bezaubert auch heute noch, gerade, weil so wenig direkt ausgesprochen wird in diesem Buch. "Verwirrung am Wolfgangsee" ist ein charmanter, anmutiger Sommerroman. Ein österreichisches "Schloss Gripsholm", wenn man so will.

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Hilde Spiel, "Verwirrung am Wolfgangsee", Milena-Verlag

Milena - Verwirrung am Wolfgangsee