Ö1 Diskussion zur Präsentation des neuen Romans

Umberto Eco im Burgtheater

Vor 30 Jahren hat Umberto Eco mit seinem Roman "Der Name der Rose" einen internationalen Bestseller gelandet, der auch verfilmt wurde. Mit seinem neuesten Werk "Der Friedhof in Prag", das jetzt auf Deutsch erschienen ist, stürmt er wieder die Charts. Auf der Bühne des Wiener Burgtheaters hat er den Roman vor vollem Haus präsentiert.

Kultur aktuell, 20.10.2011

In dem 500-Seiten Opus "Der Friedhof in Prag" geht es um die Thematik von Fälschung und Wahrheit, ein komplexes Spiel anhand von historischen Ereignissen. So spielen etwa "Die Protokolle der Weisen von Zion" ein zentrale Rolle - ein gefälschtes Dokument über eine angebliche jüdische Weltverschwörung, das Wasser auf die Mühlen der Antisemiten war und ist - wohin das geführt hat, ist ja allgemein bekannt.

Kontext ist das 19. Jahrhundert mit real existierenden Personen, nur der Ich-Erzähler, der 67-jährige Hauptmann Simon Simonini, ist erfunden - eine durch und durch böse, verabscheuungswürdige und abstoßende Figur, sagt Umberto Eco gestern Abend, die er bewusst geschaffen habe, damit sich seine Leser auf Distanz zu ihm gehen könnten.

Gemeinsamer Abend von Ö1 und "Der Standard"

Simonini ist ein übler Antisemit, und auch sonst hasst er so ziemlich alles und alle - Deutsche, Franzosen Italiener, Jesuiten, Freimaurer oder Frauen. Das einzige, was er liebt, ist essen und trinken.

Umberto Eco beantwortete die Fragen, die ihm von der Chefredakteurin der Tageszeitung "Der Standard", Alexandra Föderl-Schmid, und Ö1 Redakteur Michael Kerbler gestellt wurden.

Diskussion um Antisemitismus

In Ländern, wo der Roman bereits erschienen ist, wie in Italien oder Frankreich, gab es auch Diskussionen, ob die Darstellung und Beschreibung von antisemitischen Themen nicht gefährlich seien, und Applaus von der falschen Seite kommen könnte. Dazu Umberto Eco: es gäbe ja Menschen, die im Namen der Bibel oder des Koran Gewalttaten vollbringen - irre Interpretationen gäbe es immer, und wenn man sich als Autor, darum kümmere, dann könne man nicht mehr schreiben.

Jedenfalls habe er, Umberto Eco, mit Simon Simonini einen negativen Archetyp schaffen wollen. Er würde es begrüßen, wenn man eines Tages einen besonders bösen und abstoßenden Menschen einen Simonini nennen würde.

Texte wie "die Protokolle der Weisen von Zion" oder Hitlers "Mein Kampf" sind ja in Deutschland und Österreich verboten. Umberto Eco ist gegen jede Zensur, er sprach sich für kommentierte Ausgaben solcher Werke aus, denn Interessierte können sie sich ja ohnehin aus dem Internet fischen, und das sei ungefiltert viel gefährlicher.

Was nun den Antisemitismus betrifft, so sieht Umberto Eco in der französischen Revolution einen Wendepunkt: davor gab es einen religiösen Antisemitismus: es gab Pogrome, weil die Juden ja angeblich schuld am Tod Jesu Christi waren. Mit der französischen Revolution, und dem Prinzip der Gleichheit, war das jüdische Feindbild dann ein Baron Rothschild, oder, in der Armee, der Hauptmann Dreyfus.

Eco und die Rolle des Autors

Umberto Eco, der ja immer wieder engagiert zu politischen Fragen Stellung bezieht, trennt jedoch klar zwischen dem homo politicus und dem Romanautor. Zur Rolle eines Autors in der Gesellschaft gefragt, meinte er nur: "Die Rolle eines Autors ist das Schreiben".

Und was die Thematik der Fälschung und der Lüge, die ja die Hauptthematik der Romans ist, betrifft, so meint Umberto Eco er habe sich schon immer dafür interessiert, schon als er als Semiotik-Professor die Sprache der Lüge untersuchte, denn die Lüge sei eine typisch menschliche Fähigkeit, Tiere können nicht lügen, die Menschen schon.

Textfassung: Joseph Schimmer

Service

Umberto Eco, "Der Friedhof in Prag", Hanser-Verlag