Islamisten in Umfragen voran

Tunesien steht vor Wahl

In Tunesien wird am Sonntag zum ersten Mal seit dem Sturz von Diktator Ben Ali gewählt. Es kandidieren über 100 Parteien, aber laut Umfragen wird nur eine Partei über 20 Prozent der Stimmen bekommen. Es sind die Islamisten. Ihre Anhänger finden sie im verarmten Süden des Landes. Im Norden dürften sie nur wenig punkten.

Mittagsjournal, 21. 10. 2011

"Gefahr für die Freiheit"

An den Universitäten, wo viele Studenten am Sturz der Diktatur aktiv beteiligt waren, gelten die Islamisten als "Gefahr für die Freiheit". Dennoch haben sie es geschafft, einige Studenten zu überzeugen, denn sie treten viel gemäßigter auf, als in anderen arabischen Ländern.

Politik wird sich ändern müssen

Die Musikakademie von Tunis hat eine lange Tradition. Seit dem Sturz von Diktator Ben Ali hat sich hier vieles geändert. Der neue Direktor versucht gute Professoren zu verpflichten. Mohamed Ben Abderrazek möchte für sein Institut internationale Anerkennung. Dass die islamistische Partei, sollte sie an die Macht kommen, westliche Musik verbieten könnte, glaubt er nicht: "Es gibt Gemäßigte und Extremisten und wenn sie an die Macht kommen werden wir damit leben müssen, aber ehrlich gesagt bin ich nicht sehr besorgt." Abderrazek glaubt, dass die Islamisten sich ändern werden: "Wenn die islamistische Ennahda-Partei an die Macht kommt, wird sie ihre Politik ändern müssen."

"Sind sehr gefährlich"

Auf den Gängen zwischen den Proben und den Kursen die Studenten. Karim ist Geiger. Er glaubt zu wissen, dass die Partei Ennahda viel gefährlicher ist als die meisten glauben. "Sie sind sehr gefährlich. Es genügt nicht zu sagen, dass die Mitglieder der Partei gemäßigt sind. Auch bei ihnen ist Hitler auf demokratischen Weg an die Macht gekommen. Mit Ennahda wird es das auch so sein."

Uneinigkeit zwischen Studenten

Wie viele Tunesierinnen trägt Yasmin keinen Schleier, doch für sie sind die Islamisten nicht so gefährlich. "Sollten sie an die Macht kommen, so wird es wie in der Türkei", sagt sie. An der Universität seien mindestens 80 Prozent für die Islamisten-Partei. Ganz so viele sind es in Wirklichkeit nicht, sagt Saima, die Musikgeschichte unterrichtet: "Gestern waren 40 Schüler in meiner Klasse. Zehn haben mir gesagt, sie werden für die Islamisten wählen. Ich war sehr erstaunt." Hauptsächlich Burschen seien das gewesen. Saima versteht auch warum: "Es stimmt, einige von ihnen sind wirklich gemäßigt. Der eine Youssif Sadir, er ist Philosoph, man sieht ihn oft im Fernsehen. Er ist sehr weise. Wäre ich sicher, dass er an der Spitze einer religiösen Regierung wäre, dann würde ich auch für die Islamisten stimmen." Aber auch ohne Saimas Stimme sind die Islamisten sicher, bei den Wahlen am Sonntag, mehr als 20 Prozent der Stimmen zu bekommen, und somit stärkste Partei zu werden.