Keine Einigung in Brüssel

Doch kein Maulkorb für Ratingagenturen

Die EU-Kommission hat die geplante strengere Regulierung der einflussreichen Ratingagenturen entschärft. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier konnte sich mit seiner Forderung nach einem temporärem Rating-Verbot für Euro-Krisenstaaten innerhalb der Kommission nicht durchsetzen.

Abendjournal, 15.11.2011

Die EU-Kommission will die Macht der marktdominierenden Ratingagenturen in der Euro-Schuldenkrise beschneiden. Über ein vorübergehendes Verbot der Länderratings für Euro-Schuldenstaaten soll aber erst später entschieden werden, sagt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Aber für fahrlässige Bewertungsfehler - wie kürzlich geschehen, bei einer versehentlichen Herabstufung Frankreichs - sollen die Agenturen künftig haften.

An die Leine

Es ist der nächste Versuch die Finanzmärkte stärker an die Leine zu nehmen. Die großen Ratingagenturen haben die Krise verschärft, anstatt nur Anlegern mögliche Gefahren aufzuzeigen, glaubt EU-Kommissar Michel Barnier. Er wirft ihnen schwere Fehler in der Vergangenheit vor: „Wir müssen wieder die Herrschaft der Politik über die Märkte zurückerobern. Nur so können moderne Demokratien funktionieren“.

Drei Agenturen

Das Geschäft zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten ist derzeit beherrscht von drei großen amerikanischen Agenturen. Sie haben schon in der Finanzkrise vor drei Jahren eine zweifelhafte Rolle gespielt und Papieren ihre Gütesiegel erteilt, die sich kurz darauf als Ramsch erwiesen haben.

Mehr Wettbewerb

Mehr Transparenz und vor allem mehr Wettbewerb möchte Kommissar Barnier jetzt. Bei der Einschätzung der Kreditwürdigkeit von Staaten müssen die Agenturen die Grundlagen ihrer Bewertungen künftig öffentlich machen. Besonders umstritten: Die Bewertung von EU-Staaten, die um Hilfe bei der Union oder beim Internationalen Währungsfonds ansuchen, wollte Barnier in Zukunft vorübergehend untersagen. Diesen Vorschlag muss er allerdings verschieben.

Mit der ständigen Schlechter-Bewertung der hochverschuldeten Staaten hätten die Agenturen zuletzt nur die Krise verschärft, sagt der Kommissar. Bei groben Verstößen können die Agenturen auch zivilrechtlich belangt werden. Schlägt man da nicht nur den Überbringer schlechter Nachrichten? „Die Agenturen haben eine wichtige Aufgabe. Im Finanzsystem braucht man ein Fieberthermometer. Aber wir wollen, dass dieses Fieberthermometer auch gut funktioniert“. Von einer eigenen unabhängigen europäischen Ratingagentur hat Barnier Abstand genommen. Der Agentur hätte es an Glaubwürdigkeit gefehlt. Viele Europarlamentarier hier in Straßburg hätten das aber gerne gesehen.

Leerverkäufe verboten

Die Parlamentarier haben heute dafür einen Schritt gegen Spekulanten gesetzt. Die Spekulation auf Staatspleiten soll der Vergangenheit angehören. Die sogenannten Leerverkäufe auf Ausfallversicherungen für Staatsanleihen werden verboten. Händler verkaufen dabei Papiere, ohne sie selbst zu besitzen und treiben damit die Preise in den Keller. Künftig soll die Ausfallversicherung nur mehr der kaufen können, der auch die damit versicherten Staatsanleihen selbst hat.