Ratingagentur begeht "Fehler"
Krise in Europa nicht nur hausgemacht
Frankreichs Kreditwürdigkeit wurde durch Standard & Poor's geschädigt - durch eine Bewertung, die sich wenig später als Rechenfehler herausgestellt hat. Schnell passiert und schwere Folgen - das will die EU-Kommission nicht hinnehmen: Denn die Bewertung aus Übersee hat schon genug angerichtet in der EU und der Währungsunion.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 11.11.2011
Aus Brüssel,
EU für schärfere Regeln
Die falsche Warnung von Standard & Poor's an die Anleger über die Kreditwürdigkeit Frankreichs - ein Fall für EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Er steht seit langem an vorderster Front der Kritiker, die die Macht der Agenturen beschneiden wollen. "Der Fall Standard & Poor's in Frankreich ist zusätzliche Munition", bestätigt Barniers Sprecherin Chantal Hughes: „Das bestätigt die Sicht der Kommission, dass wir schärfere Regeln brauchen. Und die werden wir am kommenden Dienstag vorschlagen“.
Mehr Transparenz und Strafen
Vor allem mehr Wettbewerb unter den Agenturen und transparentere Urteile, wenn es um Länderratings geht, will die EU-Kommission. Bei groben Verstößen sollen Agenturen auch gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden, wünscht sich Kommissar Barnier. Und das, obwohl es sich bei den Ratings eigentlich nur um Meinungen handelt, wie die Agenturen immer wieder betonen: „Sie geben im Moment eben viel mehr ab als nur eine Meinung.- Aber wir würden es gerne sehen, dass es nur eine Meinung ist - eine unter vielen. Sie sollen ihre Arbeit tun. Aber sie sollten nicht die einzigen sein, deren Meinung zählt“.
Negative Auswirkungen
Ratingagenturen verschärfen mit ihren Urteilen oft die Krise, sagen die Kritiker. Sie sind dann kein Barometer, um Anlegern etwaige Schwachstellen und Gefahren aufzuzeigen, sondern befeuern nur ohnehin bekannte Trends. Wenn Länder wie Griechenland, Portugal oder Italien krisengebeutelt sind, verteuert ein schlechteres Rating ihre Zinsaufschläge für Staatsanleihen noch mehr.
Europäische Ratingagentur umstritten
Selbst die Idee einer eigenen europäischen Ratingagentur findet in einigen europäischen Regierungskanzleien und im Europaparlament Fürsprecher. Eine solche Agentur soll die Vormacht der großen Amerikaner brechen. Doch der Vorschlag ist umstritten. Denn Ratingagenturen - wo auch immer - leben von ihrem Ruf der Unabhängigkeit. Und eine europäische Ratingagentur, angestoßen von Regierungen oder EU-Institutionen, würde beim Urteil über europäische Staaten den Geruch der Gefälligkeitsgutachten wohl kaum loswerden. Michel Barnier hat die Idee einer eigenen europäischen Ratingagentur deshalb vorerst beiseitegelegt.