Nur "politischer Neubeginn" kann helfen
Finanzexperte: "Italien ist nicht Griechenland"
Für den italienischen Ökonomen Tito Michele Boeri ist die Krise Italiens in erster Linie eine Glaubwürdigkeitskrise. Der renommierte Professor mit Lehrstuhl an der Wirtschaftsuniversität Bocconi in Mailand gibt der italienischen Politik die Schuld, die dringend benötigte Reformen einfach "verschleppt" hat.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 11.11.2011
Tito Boeri im Gespräch mit Mathilde Schwabeneder
"Italien droht kein Zahlungsausfall"
"Italien ist nicht Griechenland." Das möchte Boeri gleich zu Beginn festhalten. Denn: "Zwischen diesen Ländern liegen zwei Realitäten, die nicht miteinander zu vergleichen sind. Italien riskiert im Gegenteil zu Griechenland derzeit keinen Zahlungsausfall."
Schlimmstenfalls, so der Ökonom, könnte es in Italien zu Liquiditätsproblemen kommen. Das habe es schon einmal gegeben, und zwar in den 1970er Jahren. Damals musste sich Italien in Finanzierungsfragen an den IWF wenden. "Ich glaube aber nicht, dass es dazu kommt", so Boeri.
"Pensionen sind größtes Problem"
Die Ursache der derzeitigen Schwierigkeiten Italiens sei vor allem in der Politik zu suchen. "Die Märkte haben von uns schon vor Monaten verlangt, eine Reihe von Maßnahmen durchzusetzen." Doch die Regierung habe die Probleme nur verschleppt, statt zu handeln.
Jetzt müsse man die geforderten Maßnahmen aber rasch umsetzen, fordert der Ökonom. Das drängendste Problem, das es zu lösen gelte, seien die Alterspensionen. "40 Prozent der Ausgaben gehen für die Pensionen drauf."
"Politscher Neubeginn steht kurz bevor"
In einem zweiten Schritt müsse man der Steuerhinterziehung den Kampf erklären, so Boeri. Und danach sei es Zeit für "einschneidende Reformen" um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Besonders wichtig sei hier, jungen Menschen und Frauen zu helfen, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.
All das, schließt Boeri, sei aber nur mit einem politischen Neubeginn möglich. Und der stehe mit Mario Monit als neuem Regierungschef ja bereits kurz bevor.