"Politisch korrekte" Vorgangsweise
Tschechien: Mit Stehverbot gegen Roma
Wer im tschechischen Städtchen Rotava kurz rasten will, muss stehen - weil Parkbänke abmontiert wurden. Doch auch das Stehen ist bei Geldstrafe verboten. Das alles ist ein seltsam anmutender Versuch der Behörden, auf vermeintlich "politisch korrekte" Weise Roma und Sinti aus dem Ort zu vertreiben.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.11.2011
Bänke abmontiert, stehen verboten
Schaut man auf die Homepage des 3.500 Einwohnerstädtchens im böhmischen Erzgebirge, so stellt sich Rotava als eine gastfreundliche Stadt mit sympathischen Volksfesten dar. Doch von Gemütlichkeit ist im Ort selbst keine Spur - alle Bänke der Stadt sind abmontiert. Und damit niemand auf die Idee kommt sich möglicherweise anderswohin zu setzen, etwa auf Stiegen, wurde gleich ein allgemeines Sitzverbot im gesamten Öffentlichen Raum der Stadt verhängt. Und damit es sich niemand dann im Stehen "gemütlich" macht, ist nun auch das verboten.
"Politisch korrekt" gegen Roma
Der Grund: Es sei zu viel herumgelungert worden, zu viele Menschen hätten ihre Freizeit auf den Straßen verbracht, zu viel Lärm, zu viel Belästigung, so der ehemalige Bürgermeister von Rotava, Jan Sliva, auf dessen Initiative die neue Verordnung noch erlassen wurde. "Diese Leute haben alle behindert, man konnte nicht mehr an ihnen vorbei. Z.B. die Sanitäter haben es nicht mehr zu den Patienten geschafft, diese Leute haben einfach nicht reagiert." - "Diese Leute" - damit sind in Rotava vor allem Angehörige der Roma-Minderheit gemeint. Gegen sie sollte in erster Linie dieses Sitz-und Stehverbot erlassen werden. Doch um politisch korrekt zu agieren und sich nicht dem Vorwurf der Ausgrenzung von Minderheiten auszusetzen, hat die Stadtverwaltung von Rotava ein Sitz-und Stehverbot für alle Menschen in der Stadt erlassen.
"Ausgefüllter Graubereich" im Gesetz
Die Bewohner reagieren irritiert: "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll." - "Das schränkt uns total ein ." - "Es ist verrückt, wenn ich mich auf eine Treppe setze, werde ich von der Polizei weggejagt, eine Strafe droht mir. Man hat hier keinen Platz mehr.
Wenn ich sitzen will, dann ist das doch mein Recht." Doch das ist kein wirklich verbrieftes Recht. Laut tschechischer Gesetzeslage ist das Sitz-und Stehverbot, wie es in Rotava bzw. auch in einer anderen tschechischen Stadt, in Litvinov eingeführt wurde, nicht gesetzeswidrig. "Mehr oder minder" jedenfalls, schränkt der Bürgermeister von Litvinov ein: "Wir wissen, es ist ein Graubereich im Gesetz, aber wir haben halt diesen Graubereich mit unserer Verordnung ausgefüllt." Einzig der tschechische Verfassungsgerichtshof könnte diese lokale Regelung überprüfen und gegebenenfalls kippen. Doch er kann nicht von sich aus tätig werden. Dafür müsste jemand einmal offiziell Einspruch erhoben werden. Bisher hat dies aber keiner getan.