Werkausgabe Daniil Charms

8. April 2017, 21:58

Er war ein Meister der absurden Komik und des schwarzen Humors, ein Sprach- und Aktionskünstler, Theaterautor, großartiger Briefeschreiber und Poet, anarchistisch, radikal und minimalistisch. 1905 in St. Peterburg geboren, war Charms 36 Jahre alt, als er nach Jahren politischer Verfolgung in stalinistischer Gefangenschaft verhungerte. Posthum berühmt wurde er mit seinen schrägen Kurz-Erzählungen.

Den Sprach-Artisten zur Geltung bringen

"Endlich kommt der 'richtige' Daniil Charms!", jubelte das Feuilleton über das Editionsprojekt, endlich sei Charms aus seiner akademischen Sperrholz-Verpackungskiste befreit worden.

Der deutsch-russische Autor Alexander Nitzberg ist Mit-Herausgeber und -Übersetzer der Charms-Ausgabe, die jetzt mit Band vier abgeschlossen wurde. Er wollte besonders den Sprach-Artisten zeigen und dass Charms sich nicht in Raster einfügen lasse, so Nitzberg.

Und tatsächlich: Wenn man diese Übersetzung mit den bisher erschienenen vergleicht, springen die Texte mit neuem Schwung gleich ins Auge bzw. ins Ohr - Texte orientiert am Klang, am gesprochenen Wort, an der rhythmischen Bewegung.

Kult-Autor der Perestrojka

Alexander Nitzberg räumt auch gleich mit falschen Lehrmeinungen auf: Charms werde immer wieder zu einem Dissidenten erklärt, dies stimme jedoch nicht, Charms sei "der denkbar unpolitischste Dichter". Wenn Dissident, dann sei Charms "Dissident gegen das gesamte Dasein" gewesen, eher ein Metaphysiker.

Als solcher wäre Charms auch in seiner russischen Heimat erst zu entdecken. Dort wurde er nämlich jahrzehntelang nur als humoristischer Kinderbuchautor gelesen - bis zum Ende der 1980er Jahre. In der Perestrojka-Zeit mutierte Charms sogar zu einem Kult-Autor, so Nitzberg.

Übrigens: Bis heute wurde Charms juristisch nicht rehabilitiert. Da keine Straftat vorläge, gäbe es auch keinen Anlass zur Rehabilitation, erklärte anno 1989 die Presseabteilung des KGB.

Textfassung: Ruth Halle