Polanskis "Gott des Gemetzels"

Jeder gegen jeden

Im Jahr 2006 wurde am Schauspielhaus Zürich das Theaterstück "Der Gott des Gemetzels" der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza uraufgeführt, später war es auch am Akademietheater in Wien zu sehen. Nun hat Regie-Altmeister Roman Polanski den Stoff rund um zwei Ehepaare, die in einen heftigen Streit geraten, für die Kinoleinwand adaptiert.

Mittagsjournal, 21.11.2011

Man gibt sich höflich und zivilisiert, man ist ja schließlich unter Erwachsenen, man serviert Kaffee und einen Apfel-Birnenkuchen, man bleibt unverbindlich und schmeichelt einander. Ausgangspunkt: ein schlagkräftiger Streit zwischen Kindern von zwei Paaren aus der oberen New Yorker Mittelschicht. Das verlangt nach Klärung, doch mit dem Austausch von Freundlichkeiten ist es bald vorbei.

Blick hinter die Charakter-Fassaden

Vier Figuren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Anwalt (Christoph Waltz), Krawattentyp und Berufszyniker, seine Frau (Kate Winslet), eine Investmentberaterin mit übertriebenem Hang zu gepflegten Äußerlichkeiten, eine selbstgerechte Schriftstellerin (Jodie Foster) mit pädagogischem Ehrgeiz und ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn - Spezialgebiet: das Leid in Afrika -, schließlich ihr Mann (John C. Reilly), Marke Teddybär und Kumpeltyp mit Wollpullover. Doch wie so oft: Der Schein trügt, das Sein drängt an die Oberfläche, die Charakter-Fassaden brechen zusammen, eine vorerst mit Hingabe verteidigte humanistische Moral offenbart sich als primitive Fratze. Unsere Vorstellungen von Moral wären nur Konstruktionen, irgendwie wären wir alle Monster, meint Darstellerin Jodie Foster.

Ungewohnte Allianzen

Roman Polanski und Autorin Yasmina Reza gehen ihr Vorhaben in mit der notwendigen Rücksichtslosigkeit und Ironie zugleich an, schonungslos decken sie die Heucheleien auf, machen jeglicher politischer Korrektheit den Garaus.

Für den Film hätten Polanski und Reza im Vergleich zum Theaterstück doch eine eigene Version verfasst, erzählt Darsteller Christoph Waltz. Die Beziehungsdynamik und -dramatik schlägt hier ungewohnte Allianzen und Richtungen ein: Mal verbünden sich die Frauen gegen die Männer, dann umgekehrt, dann wieder jeder gegen jeden.

Erfrischendes Gemetzel

"Der Gott des Gemetzels" ist Schauspielkino vom Feinsten. Da hat Roman Polanski mit seinem Quartett Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly eine glückliche Hand bewiesen. Wäre doch jedes Gemetzel im Kino nur so erfrischend und erhellend!