Autobiografie über ein reiches Leben

Hans Neuenfels' "Bastardbuch"

Er hat mit seinen Regiearbeiten für Theater und Oper Skandale ausgelöst, wie kaum ein anderer: Der Regisseur Hans Neuenfels, Enfant terrible der deutschen Theaterszene, hat heuer seinen 70. Geburtstag gefeiert und außerdem sein an Höhen und Tiefen reiches Leben in einer Autobiografie verarbeitet. "Das Bastardbuch" ist der Titel.

Er hat schon viele Beinamen gehabt. Regie-Rebell und Berserker, Erneuerer und Zertrümmerer, Großmeister und Provokateur. Er selbst bezeichnet sich am liebsten als "Bastard", und charakterisiert sich selbst als eine Mischung, die nicht im Einverständnis mit der Gesellschaft steht.

Nun, dort ist er wahrlich selten gestanden. Denn von der Aida als Putzfrau über die Zauberflöte als Riesenpenis, bis hin zum Laborratten-Chor im Bayreuther Lohengrin - Neuenfels-Arbeiten haben oftmals Skandale provoziert und nicht selten wurden Premieren unter Polizeischutz abgehalten. Trotzdem haben sie nach großen Aufregungen oftmals zu fruchtbringenden Diskursen geführt.

Vieles wurde wegweisend für das heutige Regietheater. Die "Idomeneo"-Inszenierung 2010, wo Neuenfels in der Schluss-Szene unter anderem eine Mohammed-Figur köpfen lässt, hat erst zu islamischen Anfeindungen und später zu einer Debatte über die Freiheit der Kunst und Trennung von Kirche und Staat geführt.

Elisabeth Trissenaar gewidmet

Im Bastard-Buch erläutert Hans Neuenfels ästhetische, intellektuelle und psychologische Überlegungen, die zu seinen Theater- und Operninszenierungen geführt haben. Er beleuchtet aber auch seine Anfangsjahre, als er als Assistent von Max Ernst in Paris gearbeitet oder in Wien am Max-Reinhard-Seminar studiert hat, porträtiert Weggefährten wie Horst Laube, Klaus Zehelein und Ulrich Wildgruber und huldigt seiner lebenslangen Muse und Ehefrau Elisabeth Trissenaar. Mit ihr, der er auch das Buch gewidmet hat, ist er seit fast 50 Jahren verheiratet. Außerdem spricht er offen über seine diversen Süchte, die für ihn oft auch künstlerische Schaffensprozesse in Gang gebracht haben. "Ein Leben ohne Zusatzmittel ist undenkbar", so Neuenfels.

Nüchtern und berauscht, poetisch und sachlich, witzig und manchmal sentimental erzählt Hans Neuenfels über sein subjektives Erleben einer Zeit, deren politische Umbrüche sich stets auch am Theater gespiegelt haben. Seine schriftstellerische Begabung macht das 500 Seiten starke Buch gut lesbar und zum idealen Weihnachtsgeschenk für Theaterliebhaber.

"Das Bastardbuch" von Hans Neuenfels ist in der Edition Elke Heidenreich im Bertelsmann-Verlag erschienen.

Textfassung: Ruth Halle