Die Geschichte des Gesellschaftsspiels
Monopoly
Es ist das meistverkaufte Gesellschaftsspiel aller Zeiten: über 275 Millionen Mal ist Monopoly in seiner knapp 80-jährigen Geschichte über den Ladentisch gewandert. In seinem Buch mit dem schlichten Titel "Monopoly" ergründet Andreas Tönnesmann, wie dieses unbarmherzige Spiel zu einem Welterfolg wurde und warum es bis heute einer geblieben ist.
8. April 2017, 21:58
Es ist keine Idee, die sofort einschlägt. Im Jahr 1935 versucht der gelernte Installateur Charles Darrow, dem Spielehersteller Parker Brothers das Patent für Monopoly zu verkaufen. Als Antwort bekommt er einen Brief, in der ihm die Manager 52 schwerwiegende Fehler des Spiels auflisten.
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Monopoly ist ein Unding von einem Spiel: Es dauert zu lang und hat kein klares Ziel, es appelliert an niedrige Instinkte und hat so unsinnige Regeln, dass man kaum umhinkommt, sie planmäßig zu brechen.
Aus dem "Vermieterspiel" entwickelt
Andreas Tönnesmann beschreibt die Geschichte eines Spiels, das in der Kritik steht, seit es existiert. Und das nicht nur wegen seiner Regeln. Noch bevor wir uns mit dem Spieleerfinder Charles Darrow solidarisieren können, der gegen alle Widerstände zum Welterfolg kommt, erfahren wir nämlich, dass er nur ein Konzept übernahm, das schon Jahrzehnte vorher erfunden worden war. Das Ur-Monopoly hieß "The Landlord's Game", zu Deutsch "Das Vermieterspiel".
Die Stenografin Elizabeth Magie Phillipps hatte es Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt und seither verbreitete es sich in handgemachten Varianten mit verschiedenen Namen. Von der Grundidee bis zu den Regeln, von den Straßennamen bis zu den Häusern war in diesen Finanzspielen alles wie im heute bekannten Monopoly. Tönnesmann hütet sich aber davor, Charles Darrow als schnöden Plagiator zu verurteilen.
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Darrow hatte sich eben nicht damit begnügt, das allenthalben bekannte, in zahllosen Varianten und Exemplaren von zweifelhafter Dauerhaftigkeit kursierende Spiel lediglich ein weiteres Mal zu kopieren. Im Gegenteil: Darrow lieferte ein Serienprodukt mit Anspruch auf Gültigkeit.
Die Übel kapitalistischer Bodenwirtschaft
Dabei stammt nicht einmal der Name von Darrow selbst. Monopole wecken keine positiven Assoziationen - da wundert es nicht, dass die Studenten eines kommunistischen Ökonomie-Professors den Namen Monopoly als erste verwendeten. Er nahm das Spiel als Beispiel, um ihnen die Übel kapitalistischer Bodenwirtschaft zu demonstrieren.
Diese und unzählige andere Anekdoten versammelt Andreas Tönnesmann zu einer kurzweiligen Lektüre. Er zeigt etwa, wie sich mit den verschiedenen Länderausgaben nicht nur die Währungen änderten, sondern feinfühlig bis opportunistisch auf die politischen Gegebenheiten Rücksicht genommen wurde. Von der Schweizer Ausgabe, bei der die Sprachgebiete genau austariert sind, bis zur Version im faschistischen Italien, bei der man die wörtliche Übersetzung des Namens in "Monopólio" vermied, um nicht zu marxistisch zu klingen.
Beklemmende Theresienstadt-Version
In vielen Ländern wurde Monopoly trotzdem verboten. Die Sowjets sahen es von Anfang an als Ausgeburt des Klassenfeindes, und wegen seines angeblich "jüdisch-spekulativen" Charakters durfte es auch in Nazideutschland nicht verkauft werden.
Gespielt wurde es trotzdem überall. Beklemmend wirkt etwa das Bild einer handgemachten Monopoly-Version mit dem Namen "Ghetto". Der Künstler Oswald Poeck stellte sie für die Kinder im Konzentrationslager Theresienstadt her.
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Ghetto soll nichts anderes bedeuten als Theresienstadt; der Stadtplan ist ein allenfalls oberflächlich distanziertes, aber sofort erkennbares Abbild des Lagers. Einzelne Adressen, die im täglichen Leben von großer Bedeutung waren wie Fleischerei, Bäcker oder Zentralbad, finden sich zwischen deutsch-böhmischen Straßennamen eingestreut."
Nur sehr kurz widmet sich der Autor auch der Geschichte von Monopoly in Österreich, denn hier war es seit 1936 unter dem Namen "Spekulation" zu kaufen, allerdings ohne Lizenz. Um nach dem Anschluss Österreichs einem Verbot zu entgehen und den pädagogischen Wert zu unterstreichen, benannte der Hersteller es um in "Das kaufmännische Talent", kurz DKT. Nach dem Krieg sollte dieses Plagiat eines Plagiats das meistverkaufte Gesellschaftsspiel in Österreich werden. Original-Monopoly gibt es bei uns erst seit den 1980er Jahren zu kaufen.
Entfesselter Kapitalismus
Neben der Geschichte will Tönnesmann auch ergründen, warum Monopoly zum beliebtesten Gesellschaftsspiel der Welt geworden ist. Seine Versuche, das Spiel in eine Tradition mit Idealstädten und modernen Utopien zu bringen, wirken aber eher bemüht. Schließlich ist es das antiutopische Element eines entfesselten Raubtierkapitalismus, dem die Spieler verfallen.
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Erfolgreich sein kann nur, wer seine gute Erziehung vergisst, alle Rücksicht fahren lässt und lustvoll über seine Rivalen triumphiert. Vielleicht ist das ein Grund, warum Jugendliche im Monopolyspiel oft mehr Erfolg haben als Erwachsene. Denn häufig neigen Eltern dazu, den Nachwuchs im Spiel zu schonen und ihm allzu bittere Niederlagen zu ersparen.
Die Stärke von Monopoly sei aber, dass einem selbst die schmählichste Niederlage nicht die Lust aufs Spielen nimmt. Auch Andreas Tönnesmann gesteht, kaum je eine Runde gewonnen zu haben. Dafür hat er ein umfassendes Buch über Monopoly geschrieben, das bei Fans keine Fragen offen lässt und auch hartnäckige Verweigerer in Versuchung bringen kann, ein paar Freunde anzurufen und die fast vergessene Monopoly-Schachtel aus der Schublade zu ziehen.
Service
Andreas Tönnesmann, "Monopoly. Das Spiel, die Stadt und das Glück", Verlag Klaus Wagenbach
Wagenbach Verlag - Monopoly