Türkei droht mit Konsequenzen

Paris stimmt über Genozid-Gesetz ab

In der französischen Nationalversammlung wird ein Gesetz verabschiedet, das bereits im Vorfeld für große diplomatische Verstimmung zwischen Frankreich und der Türkei gesorgt hat. Das Gesetz soll das Leugnen von Völkermorden, darunter auch den zwischen 1915 und 1917 an Armeniern begangenen, künftig unter Strafe stellen. Bis zu einem Jahr Haft und 45.000 Euro Geldstrafe drohen.

Ankara nennt diesen Gesetzesvorschlag völlig inakzeptabel und droht mit einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Türkei hatte sogar eine Delegation von Parlamentariern nach Frankreich entsandt, die in letzter Minute versuchen sollte, die Verabschiedung des Gesetzes in erster Lesung noch zu verhindern - vergeblich. Denn auch Frankreichs Oppositionsparteien - Sozialisten, Kommunisten und Grüne – haben bereits angekündigt, dass sie dem Gesetz zustimmen werden.

Morgenjournal, 22.12.2011

Aus Paris,

Betreiben von Sarkozy

Um die französisch–türkischen Beziehungen steht es, seit Nicolas Sarkozy Staatspräsident ist und sich in den letzten vier Jahren wiederholt vehement gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen hat, ohnehin nicht zum Besten. Jetzt wird dieses auch in Frankreich innerhalb der verschiedenen Parteien umstrittene Gesetz sie noch weiter zerrütten, doch Nicolas Sarkozy scheint das nicht zu stören. Bei einem Staatsbesuch in Armenien im Oktober hatte er mit Blick auf das türkische Massaker an rund 1,5 Millionen Armeniern in den Jahren 1915 bis 1917 von der Türkei gefordert, sie müsse ihre Geschichte mit neuen Augen sehen, wenig später hatte er Parlamentarier seiner konservativen UMP Partei gedrängt, den heute diskutierten Gesetzesvorschlag einzubringen.

Türkei entrüstet

Die türkischen Reaktionen darauf sind heftig. Man wirft Sarkozy vor, er buhle damit nur um die Wählerstimmen der 500.000 armenisch-stämmigen Franzosen. Der Sprecher der türkischen Botschaft in Paris, sagte gestern: „Wir werden sofort nach der Verabschiedung des Gesetzes unseren Botschafter in Paris abberufen. Und ich denke, es wird in allen Bereichen der bilateralen Beziehungen irreparable Konsequenzen geben“. Vor allem auch ökonomischer Natur: Frankreich ist der dritte Handelspartner der Türkei, die Türkei hat jüngst nicht weniger als 100 Airbusmodelle bestellt und mehr als 1.000 französische Unternehmen sind im Land angesiedelt.

Derweil empfahl der türkische Ministerpräsident Erdogan Frankreich, sich mit seiner eigenen, schmutzigen und blutigen Geschichte zu befassen, Ankaras Außenminister kündigte an, man werde sich die französischen Gräueltaten in Algerien genauer ansehen und an den Pranger stellen, sagte gestern in einem Le Monde Interview, der Gesetzentwurf sei ein Angriff auf die nationale Würde der Türkei.

Unmut in einigen Reihen

Vielen im französischen Regierungslager scheint die Situation reichlich unangenehm, allen voran Außenminister Juppé – „intellektuell, ökonomisch und diplomatisch sei dieses Gesetz ein Blödsinn, für den er keine Worte finde“ – wird Juppé von der Wochenzeitung Canard Enchainé zitiert – all dies, um die Wählerstimmen der armenischen Gemeinde in Frankreich zu ergattern, das sei lächerlich.

Und auch der ehemalige konservative Senatspräsident, Gerard Larcher gibt zu bedenken: "2008 hat der Präsident der Nationalversammlung gesagt, es sei nicht die Rolle des Parlaments, derartige Gesetze zu machen, überlassen wir das den Historikern. Außerdem haben Robert Badinter und Jean Jacquiest, ein sozialistischer und ein konservativer Senator im Mai gemeinsam festgestellt, dass ein derartiges Gesetz nicht verfassungskonform ist, ich bin derselben Meinung und sage klar: ich werde nicht für einen solchen Gesetzestext stimmen".

Kontraproduktiv

Das Peinlichste vielleicht für Nicolas Sarkozy: seine Initiative stößt auch bei all denen auf Ablehnung, die in der Türkei seit Jahren an einer türkisch- armenischen Aussöhnung arbeiten. Ein derartiger Parlamentsbeschluss – sagen sie - habe nur die Verhärtung der offiziellen türkischen Position zur Folge, mache die Dinge noch schwieriger und sei letztlich kontraproduktiv.