Der Jahresrückblick der Ö1 Journale
Das war 2011
Das abgelaufene Jahr war geprägt von einschneidenden Ereignissen: Arabische Revolution, Schulden- und Eurokrise, die Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Japan, der US-Truppenabzug aus dem Irak, rechtsextremer Terror in Norwegen, Korruptionsfälle und Regierungsumbildung in Österreich.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 31.12.2011
Arabische Revolution
- Unruhen in Tunesien: Am 14. Jänner muss Langzeitdiktator Ben Ali ins Ausland flüchten. Der arabische Frühling springt auf den Jemen und auf Ägypten über.
- Die Kundgebungen auf dem Tahrir-Platz in Kairo werden immer größer. Am 11. Februar tritt Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak zurück, das Militär übernimmt die Macht. Nach blutig niedergeschlagenen Protesten beginnen am 28. November die langwierigen Parlamentswahlen.
- Im Februar erfasst die Revolutionsbewegung Libyen. Mit UNO- und NATO-Unterstützung erobert die Opposition Stadt um Stadt. Am 20. Oktober wird Diktator Muammar al-Gaddafi in seiner Geburtsstadt Sirte entdeckt und wird bei der Festnahme getötet. Die Todesumstände bleiben unklar.
- Im März beginnen die Proteste in Syrien. Das Regime von Staatschef Baschir al-Assad geht brutal gegen die Demonstranten vor. Die EU verhängt Sanktionen, die Arabische Liga schaltet sich ein.
- Im Jemen kommt es zu Massendemonstrationen gegen Langzeitpräsident Ali Abdullah Saheh. Im Juni wird Saleh bei einem Angriff auf seinen Palast schwer verletzt und kommt erst im September zurück. Am 23. November erklärt Saleh seinen Machtverzicht.
Schuldenkrise und Rücktritte
- Griechenland wird mit seiner Schuldenlast nicht fertig. Die Proteste gegen immer schärfere Sparpakete nehmen zu. Der griechische Ministerpräsident Giorgios Papandreou will ein mühsam ausgehandeltes Hilfspaket von EU und IWF einer Volksabstimmung unterziehen. Unter internationalem Druck zieht Papandreou aber zurück und muss einer Regierung der nationalen Einheit unter Lukas Papademos Platz machen.
- Auch in Italien gerät der Regierungschef Silvio Berlusconi zunehmend unter Druck. Wegen der Schuldenmisere und auch seiner zahlreichen Affären und Skandale wird Berlusconi zum Rücktritt gezwungen. Eine Expertenregierung des Ex-EU-Kommissars Mario Monti soll Italien wieder auf Kurs bringen.
- Die Schuldenkrise bringt 2011 auch in Spanien Portugal und Irland Regierungswechsel mit sich.
- Die Ratingagenturen Standard&Poors, Moody's und Fitch werden zu bestimmenden Faktoren. Ihre Herabstufung der Kreditwürdigkeit einer zunehmenden Anzahl von Ländern rüttelt die EU-Staats- und Regierungschefs auf, den "Europäischen Stabilisierungsmechanismus" als dauerhaftes Finanzhilfe-Instrument ab 2013 ins Leben zu rufen. Österreich begegnet den Warnungen der Ratingagenturen mit dem Beschluss einer "Schuldenbremse" nach deutschem Vorbild und kann die Bestnote "AAA" verteidigen. Die innenpolitische Debatte, diese Schuldenbremse auch in die Verfassung zu schreiben, dauert bis ins neue Jahr an.
- Bei der Herbstlohnrunde pochen die Metaller auf ihre Forderung "5,5 Prozent plus" und unterstreichen das mit Streiks. Der Abschluss liegt dann bei 4,2 Prozent im Durchschnitt.
Regierungsumbildung
- Im April tritt Josef Pröll als ÖVP-Obmann, Vizekanzler und Finanzminister nach einer schweren Erkrankung (Lungeninfarkt) zurück. Die Folge ist eine Umbildung des ÖVP-Führungs- und Regierungsteams: Neuer ÖVP-Obmann wird im Mai Außenminister Michael Spindelegger. Maria Fekter folgt Pröll als Finanzministerin. Innenministerin wird Johanna Mikl-Leitner, statt Claudia Bandion-Ortner übernimmt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl das Justizressort. Der Innsbrucker Rektor Karlheinz Töchterle kommt als neuer Wissenschaftsminister in die Regierung.
Die Staatssekretäre Reinhold Lopatka und Verena Remler gehen, Sebastian Kurz und Wolfgang Waldner werden Staatssekretäre für Integration und im Außenministerium.
Korruptionsfälle
- Der ehemalige Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament, Ernst Strasser, stürzt über ein Video, das ihn als Lobbyisten anprangert.
- Die Telekom-Affäre kommt ins Rollen: Ex-Vorstand Gernot Schieszler sagt als Kronzeuge, das frühere Telekom-Management habe Börsenkurse manipuliert. Die ehemaligen FPÖ-Minister Gorbach und Reichhold geraten ins Visier der Ermittler. Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) legt sein Nationalratsmandat und alle anderen politischen Ämter zurück.
- Die Ermittlungen um die BUWOG-Affäre drehen sich immer intensiver um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser.
- Die Vergabe von Regierungsinseraten an Medien wird ebenfalls zu einem Thema, das ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufklären soll.
- Im August wird der Obmann der Kärntner Freiheitlichen (FPK), Uwe Scheuch, zu 18 Monaten Haft verurteilt, sechs davon unbedingt, weil er einem russischen Geschäftsmann die Staatsbürgerschaft gegen eine Parteispende versprochen haben soll. Scheuch beruft.
Minderheiten, Bundesheer, Hymne, Bildung
- In Kärnten wird der Ortstafelkonflikt beigelegt. 164 Ortschaften bekommen zweisprachige Ortstafeln.
- Im Streit um die Abschaffung der Wehrpflicht beruft Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) im Jänner den kritischen Generalstabschef Edmund Entacher ab. Entacher gewinnt den Rechtsstreit und bekommt im November seinen Posten zurück.
- Die Bundeshymne wird umgeschrieben: Nicht nur die großen Söhne, auch die Töchter finden ab nun Erwähnung.
- Der Industrielle Hannes Androsch sammelt 384.000 Unterschriften für sein Bildungsvolksbegehren.
Katastrophen
- Am 11. März wird Japan vom heftigsten Beben seit Beginn der Aufzeichnungen erschüttert. 15.000 Menschen sterben. Der darauf folgende Tsunami verwüstet die Nordostküste Japans und verursacht im Atomkraftwerk Fukushima einen GAU: Vier der sechs Reaktorblöcke geraten außer Kontrolle, in drei Reaktoren kommt es zur Kernschmelze. Die Debatte über den Ausstieg aus der Atomkraft erhält neue Impulse.
- Am Horn von Afrika verhungern tausende Menschen wegen einer Hungersnot aufgrund einer langanhaltenden Dürre. Internationale Hilfe kommt vielfach zu spät.
Terror, Irak, Serbien, Nordkorea
- US-Präsident Barack Obama verkündet am 2. Mai, dass eine US-Spezialeinheit in Pakistan den langgesuchten Terror-Führer Osama Bin Laden getötet hat.
- Obama verkündet auch den Abzug der US-Truppen aus dem Irak sowie einen Zeitplan für den Abzug aus Afghanistan.
- Der als serbischer Kriegsverbrecher langgesuchte Ratko Mladic wird in der Vojvodina festgenommen. Ausgeforscht wurde auch Goran Hadsic.
- Mitte Dezember stirbt der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-il (69).
Rechtsextremismus und Rassismus
- In Norwegen zündet im Juli Anders Bering Breivik eine Autobombe in Oslo und feuert danach auf ein sozialdemokratisches Jugendlager - 77 Tote. Als Motiv gibt er den Kampf gegen drohende Islamisierung an.
- In Deutschland kommt ein Nazi-Netzwerk ans Licht. Es wird klar, dass zwischen mehreren Morden an Zuwanderern ein Zusammenhang besteht.
Abschiede
Die Entertainer Johannes Heesters (108), Peter Alexander (85), Opernsängerin Sena Jurinac (90), Radiosprecher Günther Bahr (67), die Schauspieler Heinz Reincke (86), Otto Tausig (89), Erwin Strahl (82), Herwig Seeböck (72), Sissy Löwinger (70), die Sängerin Amy Winehouse (28), Ludwig Hirsch (65), "Supermax" Kurt Hauenstein (62), "Muckenstrunz" Peter Draxler, die Hollywood-Stars Peter Falk (83), Jane Russell (89), Elizabeth Taylor (79), "Playboy" Gunther Sachs (79), "Spitzbub" Helmut Reinberger (80), Kabarettist Georg Kreisler (89), Karikaturist Viktor von Bülow alias Loriot (87), die Maler Markus Prachensky (79) und Franz Ringel (71), die Schriftsteller und Staatsmänner Jiri Grusa (72) und Vaclav Havel (75), Otto Habsburg (98), Apple-Gründer Steve Jobs (56).