Robert Woelfl und das Diktat der Ökonomie

Im Gefühlshaushalt

"Ich habe dich", sagt der Unternehmervater zu seinem Unternehmersohn, "absichtlich nicht geliebt." "Ich habe dich nicht geliebt, damit aus dir einmal ein Unternehmer wird." Denn "geliebt zu werden", ergänzt die Unternehmermutter, schadet einem nur.

Geliebt zu werden sei "ein Wettbewerbsnachteil." Ihre Eltern hätten sie auch nicht geliebt, damit sie es einmal "besser habe". Doch in Robert Woelfls Stück "Familien Unternehmer Geister" verweigert sich der Sohn. Er will nicht expandieren und weitere Unternehmen gründen, er will nicht über Kreditraten verhandeln und den Gewinn maximieren, er will, trotzig wie ein Kind, geliebt werden - und wird damit zum Außenseiter, zum Verweigerer, zu einem, der den gut geölten Familienbetrieb stört. "Familien Unternehmer Geister" ist der dritte Teil einer Hörspieltrilogie, in der Robert Woelfl sich mit den Abgründen der freien Marktwirtschaft und mit Menschen, die zunehmend unter den Zwängen ihrer profitorientierten Tätigkeit leiden, auseinandersetzt.

Ökonomisierte Gesellschaft

Das Persönliche, sagt Robert Woelfl, muss "bewirtschaftet" werden. In der modernen, ökonomisierten Gesellschaft müssen "sämtliche Leidenschaften und Regungen" ökonomisch zugänglich und "verwertbar" gemacht werden können. In seinem Stück "Ressource Liebe" verliebt sich eine der Figuren, Line, in ein Gebäude. Nicht in irgendein Gebäude, sondern in ihr Firmengebäude. Würde sie gekündigt werden käme das einem Liebesverlust gleich. Also wird Line alles daran setzen, in der Firma verbleiben zu können. Sicher nicht zum Schaden des Betriebs.

Im zweiten Teil seiner Trilogie, "Wir verkaufen immer", porträtiert Robert Woelfl drei Finanzdienstleister. Menschen, die davon leben, anderen Menschen Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen anzudrehen. Weil sie eine gewisse Verkaufsquote erbringen müssen, scheuen sie nicht davor zurück, auch ihren Eltern und Freunden riskante Aktienpakete und unnötige Versicherungen aufzuschwatzen. Als die Blase platzt, sind auch die Beziehungen zerstört. Er sei, sagt Robert Woelfl, nicht wirklich von einem wirtschaftswissenschaftlichem Interesse geleitet, wohl aber von einem soziologischen. Was ihn interessiere sei die "Ökonomisierung des Sozialen", also die Frage, inwieweit und wie sich die Ökonomie über die "Sphäre des Privaten stülpt". Und da das Private ja bekanntlich vom Politischen nicht zu lösen sei, gehe es letztlich um nichts Geringeres als um die zentrale Frage: "Wie werden wir regiert" und "von wem werden wir regiert". Doch Robert Woelfl - insofern kann Entwarnung gegeben werden - schreibt keinesfalls politökonomische Manifeste. Seine Stücke sind bevölkert von Menschen aus Fleisch und Blut. Von Menschen allerdings, die getrieben sind und die Zwängen unterliegen.

Robert Woelfls Figuren und ihre Sprache

In glasklaren und mitunter bitter kalten Sätzen macht der 1956 in Villach geborene Autor deutlich, dass der Kapitalismus nicht nur ein Wirtschaftssystem ist. Ökonomische Verhältnisse werden in Beziehungen und Beziehungen wiederum als Sprache sichtbar. Und die Sprache ist naturgemäß das Arbeitsmaterial des Dichters, sein Spielfeld, sein Arbeitsplatz, sein Werkzeugkasten und sein Untersuchungsgegenstand. Wobei Robert Woelfl erst nach langen und ausführlichen Recherchen zu seinen Figuren und ihrer Sprache findet. Für "Wir verkaufen immer" sprach er mit aktiven und ehemaligen Finanzberater/innen - viele sagt er, seien "Täter und Opfer" zugleich -, er spricht mit Unternehmer/innen, besucht einschlägige Konferenzen und schmuggelt sich dort, wenn es denn sein muss, gelegentlich sogar ein.

Dabei waren dem schlanken Mittvierziger mit der Hornbrille weder die Schriftstellerei noch das Interesse an ökonomischen Vorgängen in die Wiege gelegt. Wohl aber ein generelles Interesse an der Kunst. Da der Vater Klavierlehrer war und ist, schied die Musik, jedenfalls die Klaviermusik, zunächst einmal aus. Soviel Abgrenzung musste sein. Also ging der junge Mann aus Kärnten nach Salzburg, um am Mozarteum Bildhauerei zu studieren. Ein Jahr später wechselte Robert Woelfl nach Wien an die "Angewandte" und studierte Grafik bei Oswald Oberhuber und Kommunikationstheorie bei Roy Ascot. Er begann, Videoessays herzustellen und wurde dafür 1991 mit dem Österreichischen Videokunstpreis ausgezeichnet. Über die Texte, die er für seine Essays schrieb, kam er mit Schauspieler/innen in Kontakt und blieb fortan dem Theater verbunden.

Tiefe Einblicke in Gefühlshaushalte

Er hatte rasch den Eindruck, sagt Robert Woelfl, dass die Literatur "verbindlicher" sei als die bildende Kunst und man damit mehr "bewegen" könne als mit Grafiken und Videos. Erste Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. 2001 wurde am Schauspiel Leipzig Robert Woelfls erstes Stück "Dem Herz die Arbeit, den Händen die Liebe" uraufgeführt, weitere Aufführungen, unter anderem in Konstanz, Augsburg, Stuttgart, München und Wien, sollten folgen. Die Hörspielredaktion von Ö1 hat innerhalb der letzten Jahre drei Stücke von Robert Woelfl - jeweils in der Regie von Goetz Fritsch - produziert und als Hörspiel gesendet. Corinna Kirchhoff als Unternehmermutter, Martin Schwab als Unternehmervater, Gerti Drassl als Finanzberaterin und Markus Meyer als ihr Kollege, um nur einige zu nennen, gewähren tiefe Einblicke in den Gefühlshaushalt dieser Figuren.

Nicht allein weil die Wirtschaftsforscher/innen ihre Wachstumsprognosen nach unten revidiert haben und 2012 ein turbulentes Jahr zu werden verspricht eröffnet Ö1 die Hörspielsaison 2012 mit einer Robert-Woelfl-Trilogie. Die ersten drei Dienstagabende des neuen Jahres sind der "ökonomisierten Gesellschaft" und ihren psychosozialen Folgen gewidmet. Wobei es dem Autor natürlich nicht um Wertungen und Bewertungen geht. Wohl aber darum, reale Verhältnisse "aufzuzeigen" und "spielerisch damit umzugehen." Außerdem kann es kein Schaden sein sich rechtzeitig zu wappnen. "Managementideologien", sagt Robert Woelfl, sind schließlich "die neuen Schicksalsschläge, mit denen wir lernen müssen umzugehen."