100. Geburtstag, 20. Todestag, Dutzende Veranstaltungen
Das Jahr des John Cage
Der US-Amerikaner John Cage war einer der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Der Avantgardist und Musikdenker wurde vor 100 Jahren geboren. Sein Todestag jährt sich heuer zum zwanzigsten Mal. 2012 werden diese Jubiläen in zahlreichen Festivals und Ausstellungen begangen.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 04.01.2012
4'33"
Der Pianist betritt die Bühne, nimmt am Flügel Platz und spielt 4 Minuten und 33 Sekunden lang keinen einzigen Ton - nicht nur bei der Uraufführung im Jahr 1952 löste das Stück "4'33"" von Cage Verwirrung aus und wurde als Provokation der gängigen Auffassung von Musik erachtet. Muss ein Pianist Töne erzeugen, um zu spielen? Kann Stille auch Musik sein?
John Cage
"Sie müssen es nicht Musik nennen, wenn Sie der Begriff stört."
Stille gibt es nicht
Der in Brünn lebende slowakische Künstler und Kurator Jozef Cseres erklärt, dass "4‘33‘‘" für John Cage ein Resultat jahrelanger musiktheoretischer Überlegungen war: "Er hat mit dem Stück alle die Aufmerksamkeit des Publikums auf all jene Geräusche im Konzertsaal gelenkt, die wir unentwegt hören, jedoch nicht beachten. Wenn der Musiker keine Töne erzeugt, beginnen wir auf die anderen Geräusche zu hören, die den Raum füllen. Auf geniale Weise zeigte Cage damit, dass Stille nicht existiert. Stille ist eine mythische Konstruktion. Überall, wo sich etwas bewegt, ist etwas zu hören.
John Cage selbst erklärte in einem Interview, das 1991, kurz vor seinem Tod, in seiner Heimatstadt New York geführt wurde: Musik bedeute für ihn Geräusche, Sounds, die nichts bedeuten und uns umgeben.
Bedeutung für Musik UND bildende Kunst
John Cage führte in seinen Kompositionen das Zufallsprinzip und die Unbestimmtheit ein - viele seiner Arbeiten gelten als Schlüsselwerke, die Abgrenzungen zwischen Musik und bildender Kunst, Konzert und Performance, auflösten.
"Es ist ein Paradox, dass er mehr bildende Künstler beeinflusst hat, als Komponisten - hat er doch das musikalische Denken komplett verändert, so Jozef Cseres. "Es ist ihm gelungen, Musik mit östlicher Philosophie, mit Theater und verschiedenen Medien zu verbinden und sie in Richtung intermediale Aktionskunst verschieben. Seine Kompositionen sind Prototypen von Happenings und Performances. Auf eine poetische Weise nahm er spätere Kunstentwicklungen vorweg."
Ausstellungsreigen
Gemeinsam mit der Kulturorganisation Tonspur bereitet der Kurator Jozef Cseres eine umfassende Ausstellung zu John Cage vor, die im Februar im Wiener MuseumsQuartier eröffnet wird. Es ist dies eine von Dutzenden Kulturveranstaltungen, die im Cage-Jahr 2012 weltweit stattfinden: In der Akademie der Künste läuft ein ganzjähriges Programm zur Wirkung seines Schaffens. Im Mai eröffnet in Darmstadt die Ausstellung "A house full of music" zu Strategien in Kunst und Musik, während in New York Cages Arbeiten auf Papier ausgestellt werden. Und rund um seinen hundertsten Geburtstag im September werden zahlreiche Performance-Kompositionen aufgeführt. Für alle Veranstaltungen gilt ein Satz, der von John Cage über seine Arbeiten überliefert ist: "Sie müssen es nicht Musik nennen, wenn Sie der Begriff stört."
Über eine Kunstbewegung, die von den Ideen John Cages stark beeinflusst war berichtet das Kulturjournal heute Nachmittag: Fluxus. Auch diese Strömung begeht 2012 einen runden Jahrestag, denn vor fünfzig Jahren fand das erste Fluxus-Konzert statt.