Iba de gaunz oamen leit

Nöstlinger-Elektronikoper im Rabenhof Theater

Zwischen 1974 und 1987 veröffentlichte Christine Nöstlinger drei Gedichtbände, die später unter dem Titel "Iba de gaunz oamen Leit" (Über die ganz armen Leute) erschienen sind. Das Rabenhof Theater bringt Christine Nöstlingers Klassiker der Mundartdichtung jetzt als Elektronikoper auf die Bühne.

Nöstlingers poetische Miniaturen beleuchten das Leben im Wiener Gemeindebau schlaglichtartig: Jenseits von Wiener Gemütlichkeit, doch mit viel Sympathie für jene, die auf der gesellschaftlichen Leiter ganz unten stehen. Es spielen die Publikumslieblinge: Ursula Strauss, Christian Dolezal, Gerald Votava und Ingrid Burkhard. Premiere ist am Dienstag.

Mittagsjournal, 14.01.2012

Der Geiga-Gotti wird schon als Teenager zum Frühstücksbiertrinker, auch die Nachbarin versüßt sich das Cola mit Rum, der Bub wechselt vom Dauerwerbesender auf den Sexkanal, sobald die Mama vorm Fernseher eingeschlafen ist. In einer collageartigen Abfolge von Songs und Texten entführt "Iba de gaunz oamen Leit" in die Welt der Wohlstandsverlierer, die sich durchs Leben wursteln. Zwischen Suff, Puff und blanker Verzweiflung.

Das Rabenhoftheater hat Christine Nöstlingers Gedichtrilogie "Iba de gaunz oamen Leit" als Singspiel für die Bühne adaptiert, angesiedelt im Wien der Gegenwart, unterlegt mit einem elektronischen Klangteppich. Für die Musik dieser Elektronikoper - so die offizielle Genrebezeichnung - ist kein geringerer als Wolfgang Schlögl, Mastermind der Wiener Elektronik Formation Sofa Surfers, verantwortlich. Eine Vertonung, die die Musikalität von Christine Nöstlingers Dialektdichtung nicht übertrumpfen will, sondern unterstreicht.

Von der larmoyanten Weinseligkeit des Wienerlieds ist in "Iba de gaunz oamen Leit" tatsächlich nichts zu finden. Schlögls unaufgeregter, minimalistischer Soundteppich betont die raue Poesie von Christine Nöstlingers Texten, denn auch in der Bühnenadaption wurde die gebundene Sprache der Vorlage beibehalten. Diese Herausforderung meistern die vier Akteure souverän.

Neben Fernsehkommissarin Ursula Strauss, die mit "Iba de gaunz oamen Leit" nach längerer Pause auf die Bühne zurückkehrt, spielen Ingrid Burkhard, bekannt als Toni Sackbauer in "Ein echter Wiener geht nicht unter" und Gerald Votava. Christian Dolezal sorgt als verlassener Gewalttäter für tragikomische Höhepunkte des Abends.

Auch wenn sie in Momenten der Hilfslosigkeit gezeigt werden, behalten Christine Nöstlingers Figuren immer ihre Würde. Von sozialpornografischen Zurschaustellungen distanziert sich auch die Bühnenadaption. Es wird zwar geflucht und gesoffen, gehurt und geschimpft, die Figuren werden aber auch in ihrer Verletzlichkeit gezeigt. Als Milieustudie will Regisseur Anatole Sternberg seine Inszenierung ohnehin nicht verstanden wissen.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Rabenhof Theater ermäßigten Eintritt (20 Prozent).

Rabenhof Theater - Iba de gaunz oamen leit