Zeitgenössische russische Kunst

Russian Renaissance

Zeitgenössische Kunst aus Russland zeigt eine Ausstellung der Wiener Galerie Hilger in der Brotkunsthalle, die am Dienstag, 17. Jänner 2011, eröffnet wird. In "Russian Renaissance" sind künstlerische Positionen von der Zeit nach der Perestroika bis in die Gegenwart, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit der russischen Gesellschaft auseinandersetzen, zu sehen.

Lokal Russisches ist dabei ebenso Thema wie die großen politischen Transformationsprozesse. Auch ganz aktuelle Themen wie die Bürger-Proteste in Moskau nach den vergangenen Duma-Wahlen vor rund einem Monat sind in der Ausstellung bereits vertreten.

Kulturjournal, 16.01.2012

Die New Yorker Freiheitsstatue, verhüllt mit dem Schleier der islamischen Burka - dieses Bild hat starke Symbolkraft. Seit der radikalislamische Terrorismus ein Dauerthema ist, wird es von den Medien gerne verwendet. Die russische Künstlergruppe AES+F hat diese Collage im Jahr 1996 kreiert und damit alles vorweggenommen, was wenig später folgen sollte: Samuel Huntingtons These vom "Clash of Civilizations" genauso wie den omnipräsenten Diskurs über das Verhältnis des Westens zum Islam. Das berühmt gewordene Bild steht am Beginn der Ausstellung "Russian Renaissance".

Auch im übrigen Teil der Ausstellung geht es immer wieder um Symbole der Macht. Stark vertreten ist etwa jene Künstlergeneration, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgekommen ist: Auf einmal waren diese Künstler befreit von Zensur und politischer Instrumentalisierung. Die alten Symbole der Macht blieben bei ihnen ein wichtiges Thema. Allerdings spielte Politik in dieser Künstlergeneration eine ambivalente Rolle, erklärt Ausstellungskurator Hans Knoll. Die Künstler der ersten Generation hätten sich zwar mit dem Thema Russland beschäftigt, aber sie hätten ihre Kunst nicht politisch verstanden, so Knoll.

Abarbeitung der Geschichte

Eine wichtige Vertreterin dieser Generation ist etwa die Gruppe Blue Noses. Sie ist mit zwei großformatigen Bildern vertreten, auf denen Lenin und Che Guevara als dicke Männer in der Pose von Gekreuzigten zu sehen sind. "Crucified Leaders" heißt diese Serie, in der zwei Ikonen dem Spott preisgegeben werden. Die ironische Brechung einst mächtiger Symbole war eine weitverbreitete Strategie russischer Künstler nach der Wende, mit der Vergangenheit und ihren Artefakten umzugehen.

Dieser Prozess der Abarbeitung der Geschichte scheint heute weitgehend abgeschlossen. Eine neue Generation kann sich mittlerweile ganz anderen Themen und wie auch der Abstraktion zuwenden - beobachten lässt sich das bei jungen Künstlerinnen wie Polina Kanis und Ustina Yakovleva.

Comics zu Demonstrationen

Erst in der jüngsten Vergangenheit findet die Politik wieder direkt Eingang in die Kunst. Als vergangenen Dezember die Bürger im Zentrum Moskaus auf die Straße gingen, um gegen offensichtliche Fälschungen bei der Duma-Wahl zu protestierten, hielt die Künstlerin Victoria Lomasko einzelne Szenen in Form von Comiczeichnungen fest.

"In Russland gibt es eine Tradition für diese Art von Zeichnungen, etwa im Bereich der Sozialreportagen. Auch von politischen Gefangenen aus der Sowjetära sind diese Art von Zeichnungen erhalten", sagt sie.

Bei den Demonstrationen im Dezember begab sich Victoria Lomasko mitten in das Geschehen und dokumentierte in schwarz-rot-weißen Zeichnungen, was sie sah: "Zu dieser Demonstration kamen viele Menschen mit weißen Blumen. Hier auf dieser Zeichnung ist etwa eine Frau zu sehen, die einem Polizisten ihre Blume überreicht und ihn fragt: Seid ihr auf unserer Seite? Es war eine sehr schöne Demonstration, wie in Karneval oder ein großes Fest, mit vielen bunten Fahnen. Die Leute hatten ihre Angst verloren."

Isolation der Kunstwelt

Den Titel der Ausstellung, "Russian Renaissance", hat Kurator Hans Knoll bereits Anfang des vergangenen Jahres erdacht. Durch diese jüngsten politischen Proteste in Moskau hat sich seine Bedeutung freilich noch einmal gewandelt. Einige der Künstler, die hier vertreten sind, haben das erste Mal die Möglichkeit, sich im Ausland zu präsentieren. Immer noch ist die russische Kunstszene von der westlichen Welt wegen bürokratischer Hürden und veralteter Kunstinstitutionen weitgehend isoliert. Auch darauf will diese Schau in der Brotkunsthalle aufmerksam machen.

Textfassung: Ruth Halle

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Brotkunsthalle