Experte zweifelt an politischem WIllen

Chaos statt Reformen in Griechenland

Griechenland hat zwar umfassende Reformen versprochen, die würden aber nur schleppend umgesetzt, sagt der Griechenland- und Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität in Linz. Die Reformen verliefen chaotisch und ohne Konzept, auch der politische Wille fehle.

Morgenjournal, 19.1.2012

Leere Ankündigungen

Griechenland könne viele seiner Versprechen nicht einhalten, sagt Schneider. Im Staatsdienst etwa würden viel weniger Menschen entlassen als geplant, nämlich nur 1.000 bis 2.000 statt der angekündigten 30.000. Der Grund sei wahrscheinlich, dass diese Personen Parteimitglieder sind oder Parteien nahe stehen, sagt Schneider. Griechenland sollte auch sinnlose Waffenkäufe einstellen, das passiere aber nicht, weil viele Personen von Provisionen leben.

Auch das Privatisierungsprogramm, das viele Milliarden in die Kassen spülen könnte, gehe zögerlich voran, sagt Schneider. Es sei eben besonders schwierig, in einer derartigen Situation zahlungskräftige Käufer zum Beispiel für den Hafen von Piräus oder die Telekom zu finden.

Zu wenige Finanzbeamte

Auch im Kampf gegen die Steuerhinterziehung gehe zu wenig weiter, sagt Schneider. Noch immer fehle ein Abkommen mit der Schweiz, um Schwarzgeld nach Griechenland zu holen. Durch den Einstellungsstopp bei den Beamten fehle auch das nötige Personal, um Steuererklärungen zu prüfen oder säumiges Geld von Supermärkten oder Baufirmen einzutreiben. Dort könnten Milliarden Euro von der Schattenwirtschaft geholt werden, schätzt der Experte.

Zwangsweiser Verzicht = Pleite

Insgesamt verliefen die Reformbemühungen chaotisch, sagt Schneider. Der politische Wille fehle, eine Hand wisse nicht, was die andere tut. "Es fehlt ein Mastermind dahinter, wie das anzugehen ist." Viele Investoren glauben deshalb nicht, dass Griechenland die Pleite abwenden kann. Griechenland will nun die privaten Gläubiger zwingen, auf einen Teil ihres Geldes zu verzichten. Genau weil das offenbar nicht freiwillig passiert, sehen Ratingagenturen nun die Pleite bevorstehen, sagt Schneider: "Die Wahrscheinlichkeit rückt näher und näher" - wäre da nicht die Politik.

Politische Motive

Die EU und der Internationale Währungsfonds könnten trotzdem noch mal Hilfe leisten - auf Druck Frankreichs. Denn Frankreichs wolle Präsident Sarkozy vor den Wahlen das Geld seiner Banken in Sicherheit sehen, so Schneider. Trotz Reformstau in Griechenland gibt es also in Europa viele politische Motive Griechenland noch eine Weile zu helfen, sagt Schneider. Auch in Deutschland beginnt bald der Wahlkampf und Italien braucht Zeit.

Service

Johannes Kepler Universität (Homepage von Friedrich Schneider)