Theaterstück des Jahres 2011

Verrücktes Blut

"Verrücktes Blut" ist ein Theaterstück, in dem eine Lehrerin mit vorgehaltener Pistole ihre pubertierenden Schüler mit migrantischem Hintergrund dazu zwingt, sich mit Schiller auseinanderzusetzen.

Das Stück wurde bei seiner Uraufführung in Berlin-Kreuzberg zum Hit und wurde von "Theater heute" mit dem Preis als bestes deutschsprachiges Theaterstück des Jahres 2011 ausgezeichnet. Jetzt zeigt die Garage X das Stück zum ersten Mal in Österreich, im Rahmen der Reihe "Pimp my integration", die sich dem migrantischen Theater widmet. Die vielumjubelte Premiere war am Mittwoch, 18. Jänner 2012.

Kukltur aktuell, 19.01.2012

Integration einmal anders

Die Lehrerin versucht ihren unflätig schimpfenden, raufenden und disziplinlosen Schülern Schiller und seine idealistischen Vorstellungen näher zu bringen. Dass sie dabei eine geladene Pistole in Händen hält, die einem Schüler kurz davor aus der Tasche gefallen ist, erleichtert die Sache und beflügelt den Lerneifer.

Die brandheißen Themen Integration und Bildung haben Nurkan Erpulat und Jens Hillje in ein höchst brisantes Stück verpackt, das völlig losgelöst von moralischen Ansprüchen oder political correctness daherkommt. Vorurteile, Verallgemeinerungen, vermeintliche Toleranz und islamophobe Argumente - alles wird zugespitzt und bloßgestellt. Der Sprengstoff des Stückes ist die Ohnmacht, sagt Regisseur Volker Schmidt.

Anders als die filmische Vorlage "La journee de la jupe" verzichtet das Theaterstück nicht auf Komik und Regisseur Volker Schmidt baut etliche ironische Brechungen in den starken Stoff ein, so zum Beispiel wenn die vor Gewalt strotzenden Jugendlichen plötzlich in trauter Einigkeit Volkslieder anstimmen.

Dass mit den Mitteln des Terrors für Aufklärung gekämpft wird und die Schüler schließlich moralischer agieren als die Lehrerin ist unwahrscheinlich, aber am Theater eben möglich.

Ein voller Erfolg

Volker Schmidt hat eine eigene für Wien passendere Typologie und Sprache gefunden, und das Stück auf seine Darsteller zugeschnitten - ein hervorragendes Ensemble, dem unter anderem Mustafa Kara, Karin Yoko Jochum, Sandra Selimovic oder Khaled Sharaf El Din angehören.

Sie alle schlüpfen gegen Ende kurz aus ihren angestammten Rollen und bekennen, dass sie es satt haben, die Selbstmordattentäter, Problem-Kinder und Taxifahrer zu spielen. Sollten sie sich demnächst in den Besetzungslisten etablierter Theater wiederfinden, so hat die Reihe "pimp my integration" ihren Zweck erfüllt.

Textfassung: Walter Gerischer-Landrock

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Garage X Theater ermäßigten Eintritt (50 Prozent).

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