Verschleppt, präpariert und ausgestellt

Menschliche Überreste im Museum

Menschenknochen, Mumien, Schrumpfköpfe oder Leichenteile finden sich in etlichen heimischen Museen - menschliche Überreste nicht nur aus archäologischen Grabungen, sondern auch aus einer Zeit, als Menschen zu Forschungs- und Anschauungszwecken - mitunter als exotische Schaustücke - präpariert worden waren.

Prominentes Beispiel hierzulande: der sogenannte "fürstliche Hofmohr" Angelo Soliman, dessen Körper nach dem Tod ausgestopft im kaiserlichen Museum in Wien präsentiert wurde. Im Rahmen der Angelo Soliman-Ausstellung, die derzeit im Wien Museum stattfindet, fragt jetzt eine Tagung: Gehören menschliche Überreste ins Museum?

Kultur aktuell, 20.01.2012

Wachsendes Problembewusstsein

Angelo Soliman teilte das Schicksal vieler anderer Menschen, die von sogenannten Forschern verschleppt wurden. Aus Grönland etwa wurden anno 1897 sechs Inuit in die USA deportiert, im Keller des Naturkundemuseums von New York hat man sie wie Haustiere gehalten und nach ihrem Tod präpariert. Bis ins späte 20. Jahrhundert waren ihre Skelette in verschiedenen Museen ausgestellt, erst 1993 konnten sie in Grönland bestattet werden.

Oder auch die sogenannte "Hottentottenvenus" Sarah Baartman aus Südafrika, die im Paris des frühen 19. Jahrhunderts als Exotikum bestaunt wurde. Ihr Skelett, ihr Gehirn und ihr Geschlechtsteil wurden konserviert, erst im Mai 2002 wurden ihre sterblichen Überreste nach Südafrika überführt. Menschliche Überreste, die in den letzten 200 Jahren in unsere Museen gekommen sind, stammen meist aus der Zeit der Kolonialherrschaft, weiß die Ethnologin Wiebke Ahrndt, es seien direkte Vorfahren von heutigen Menschen.

Wiebke Ahrndt leitet eine Arbeitsgruppe des deutschen Museumsbundes zum Thema Human Remains, eine Arbeitsgruppe, die Richtlinien und Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen erarbeitet. "Das Problembewusstsein wächst kontinuierlich", meint Abrndt, "da hat sich durch die Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reichs in den Museen eine neue Sensibilität entwickelt".

Würdige Präsentation notwendig

Wann ist die Ausstellung von Menschenknochen, Mumien oder Schrumpfköpfen gerechtfertigt? Es sei die Frage, warum sich der Besucher das ansehen solle, so Ahrndt, "die nackte, schnöde Schaulust kann es ja nicht sein". Die Ausstellung müsse immer mit entsprechenden Erklärungen gekoppelt sein und die Präsentation müsse würdig geschehen.

Je älter die menschlichen Überreste sind, desto größer ist die Distanz und desto geringer die Gefahr emotionaler Verletzung, sagt Wiebke Arndt, allerdings "das heißt ja nicht, dass ich dann alles damit machen kann, sondern ich muss mir schon auch die Frage stellen, kann ich peruanische Hockermumien, die von Grabräubern entkleidet wurden, so als nackte Skelette in eine Ausstellung setzen? Ist das eine zweite Schändung zur Grabräuberei?"

Tagung im Wien Museum

Kann ein Museum heute noch solche Sammlungen annehmen, wenn sie angeboten werden und wenn ja: unter welchen Bedingungen? Wie schauen würdige Lagerbedingungen, wie schaut eine würdige Präsentation in einer Ausstellung aus? Welche Forschung ist zulässig? Antworten auf diese Fragen werden am Freitag, 20. Jänner 2012 bei einer Tagung in Wien gesucht.

In Österreich gibt es jedenfalls Nachholbedarf, sagt Bettina Habsburg von der Museumsakademie des Grazer Joanneums. In Ländern mit Kolonialgeschichte habe das schon früher begonnen, es gebe zu, Beispiel in Großbritannien und den Niederlanden bereits Richtlinien, in Österreich hingegen gebe es noch überhaupt keine Richtlinien.

Ein gutes Beispiel für den differenzierten Umgang mit diesem Themenkomplex ist jedenfalls die Angelo-Soliman-Ausstellung, die noch bis zum 29. Jänner 2012 im Wien Museum zu sehen ist.

Textfassung: Ruth Halle

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