Western von Pete Dexter

Deadwood

Hier überschreiten wir die Genregrenzen, und das tun wir ganz bewusst. Der US-Amerikaner Pete Dexter ist ein ausgezeichneter Kriminalschriftsteller. Von ihm stammen auch ins Deutsche übersetzte Krimis wie "Paris Trout", "God's pocket" und "Train". Durchaus rasant, durchaus heftig und vor allem, gut geschrieben.

Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Dexter, nachdem er seinen Journalistenjob in Philadelphia aufgegeben hatte, auch einen Western geschrieben hat. Im Original ist dieser Mitte der 1980er Jahre, kurz nach "God's Pocket", erschienen, und nachdem es seit etlichen Jahren keinen guten, lesbaren Western mehr gegeben hat, ist "Deadwood" - so heißt das Buch - auch Teil einer Krimi-Rundschau geworden.

Aber nicht nur deshalb: Sieht man sich die Konstruktion, die Dramaturgie und die Schilderungen sozialer Milieus, der Abhängigkeiten und Herrschaftsverhältnisse, in diesem knapp 450 Seiten starken Epos über den sogenannten "Wilden Westen" des späten 19. Jahrhunderts genauer an, wird man etliche Analogien zum Beispiel zu den Plots und Verstrickungen der Dashiell-Hammett-Krimis aus den 1920er und 30er Jahren entdecken.

Das Leben des "Wild Bill Hickock"

Aber wie immer eines nach dem anderen: Deadwood ist eine Kleinstadt in South Dakota, wir schreiben das Jahr 1876, James Butler Hickock, genannt "Wild Bill", ist eine historisch verbürgte Figur, ein auch in "Buffalo Bills Wildwestshows" aufgetretener und inzwischen abgehalfterter Revolverheld.

Nach Deadwood zieht er mit seinem besten und offenbar auch weit klügeren Freund Charley Utter, um vom dortigen Goldrausch profitieren zu können. Letzterer verdient sich tatsächlich so etwas wie eine "goldene Nase", während "Wild Bill", geschlechts- und alkoholkrank, durch die Saloons von Deadwood zieht, um dort Hunden und wagemutig-besoffenen Goldgräbern und Cowboys Whiskeygläser vom Kopf zu schießen.

Diese Performance gefällt nicht allen in Deadwood, und nachdem ein Kopfgeld auf "Wild Bill" ausgesetzt worden ist, wird er auch von einem etwas schwachsinnigen Bürger der Gemeinde hinterrücks beim Pokerspiel erschossen.

Verhältnis mit "Calamity Jane"

So weit, so klar. Aber was Pete Dexter, der Autor von "Deadwood", aus der Historie macht, das ist ein großes Stück mehr, ein wirklich gutes Stück Literatur nämlich.

Da treten - und auch ist das angeblich historisch verbürgt - "Calamity Jane" auf, da gibt es Konflikte zwischen Weißen und Chinesen, zwischen Uppertown und Chinatown von Deadwood, und klarerweise sackt sich der Sheriff mit seinem Kompagnon das ganze Geld ein, das Ende des 19. Jahrhunderts nach Dakota kommt.

Übrigens: "Calamity Jane", auch eine Darstellerin in "Buffalo Bills Wildwestshows", hat in Dexters Roman nicht das Geringste mit Doris Day und anderen cineastischen Behübschungen zu tun. Sie erscheint als potthässliches, völlig versoffenes Mannweib, das ihre letzte Aufgabe in der Pflege kranker Menschen gefunden hat, um so ihre eigenen Defekte kurieren zu können.

Zerstörte Legende

Und um auf "Wild Bill Hickock", den Helden dieses Romans zurückzukommen: Wer einen der besten Clint-Eastwood-Filme aller Zeiten gesehen hat, "Erbarmungslos", diesen intelligent-brutalen Abgesang auf Wild-West- und Pionier-Glorie, mit dem Kurzauftritt einer ehemaligen und im Film sofort verprügelten Revolver-Legende, gespielt von Richard Harris, der weiß, um was es auch Pete Dexter in diesem fulminanten Roman geht: um die Zerstörung von Legenden. Und damit sind nicht Personen, sondern auch Epochen gemeint.

Service

Pete Dexter, "Deadwood", aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt, Verlag Liebeskind

Liebeskind - Deadwood