Rolf Kutschera gestorben

Vom Claqueur zum Musical-Pionier

Er machte das anglo-amerikanische Musical in Wien heimisch und bereitete mit Kassenschlagern wie "My Fair Lady", "Der Mann von La Mancha", "Hello Dolly" und "Evita" den Boden für den späteren Erfolgszug der damals noch mit Skepsis betrachteten Gattung Musical. Am Sonntag, 22. Jänner 2011, starb Rolf Kutschera 96-jährig in Wien.

Nachruf von Gernot Zimmermann

Während seiner Direktionszeit zwischen 1965 und 1983 zeichnete er für insgesamt 25 Musical-Inszenierungen verantwortlich. Wie turbulent sowohl die Theater- als auch seine Jugendzeit mitunter waren, kann in seinen Memoiren "Glück gehabt" nachgelesen werden.

Kutschera wurde am 6. Jänner 1916 in Wien-Ottakring geboren. Als sein erstes künstlerisches Erlebnis beschreibt er in seinen Memoiren eine Aufführung von Bertes "Dreimäderlhaus" im Schutzhaus Breitensee. Nachdem er sich an der Geige versuchte ("Ich habe darauf immer fürchterlich herumgekratzt"), bekam er im Alter von sieben Jahren Klavierunterricht. Der ausgebildete Fleischhauer kam schließlich als Claqueur erstmals mit dem Theater an der Wien in Berührung: "Wer wollte, konnte täglich kommen. Natürlich war ich Stammgast", beschrieb er dieses Erlebnis.

Nach dem Krieg Auto und Conferencier

Seinen ersten Schauspielunterricht erhielt Kutschera bei Rudolf Beer an der Scala in Wien. Sein erstes Engagement trat er dort an, wo er später so erfolgreich sein sollte, nämlich im Theater an der Wien, wo er in "Madame sans Gene" spielte. 1938 ging er nach Heidelberg, ein Jahr später nach Linz, und 1940 wurde Kutschera am Wiener Volkstheater engagiert.

Bald darauf wurde der Schauspieler zur deutschen Wehrmacht eingezogen und spielte schließlich bis zur Theatersperre 1944 wieder am Volkstheater. Nach 1945 betätigte er sich zunächst als Autor von Revuen und als Conferencier, bevor er ein Engagement an der Wiener Scala erhielt. Bei der Wien-Film wirkte Kutschera schon vor 1945 in einigen Produktionen mit, nach Kriegsende wurde er in Österreich und Deutschland für eine Reihe von Leinwand-Werken verpflichtet.

Als Schauspieler und Regisseur war Kutschera ab 1950 vor allem in Berlin tätig, wo man ihn als "König des Boulevards" bezeichnete. Daneben spielte und inszenierte er auch im Theater in der Josefstadt, im Hamburger Schauspielhaus sowie in Zürich und Stuttgart. Seine Wiener Inszenierungen wie "Staatsaffären", "Bei Kerzenlicht" und "Einzelgänger" galten als Glanzpunkte des Unterhaltungstheaters jener Zeit.

Leiter des Theaters an der Wien

Von 1965 bis 1983 leitete Kutschera schließlich das Theater an der Wien, sein kaufmännischer Mitstreiter war zunächst Robert Jungbluth, der im Jänner 2009 verstorben ist, und ab 1969 dann Franz Häußler. Für seine Musicals, die ihren Original-Inszenierungen aus London und New York um nichts nachstanden, konnte er Künstler wie Marika Rökk, Dagmar Koller, Harald Juhnke, Theo Lingen, Josef Meinrad, Marianne Mendt und Fritz Muliar in dem damals noch eher neuen Genre einsetzen und zur Wirkung bringen. Titel der ersten Premiere am Theater an der Wien unter seiner Leitung: "Wie man was wird im Leben, ohne sich anzustrengen." Mit einigen Aufführungen, wie beispielsweise der "Gräfin vom Naschmarkt", verlieh Kutschera dem aufstrebenden Genre auch eine Wiener Note.

Auch im deutschen und österreichischen Fernsehen zählte Kutschera zu den vielbeschäftigten Schauspielern und Regisseuren. So inszenierte er beispielsweise für den ORF "Brillanten aus Wien", "Die Bekehrung des Ferdy Pistora", den Fernsehfilm "Das Wunder einer Nacht" und die Unterhaltungsserie "Glückliche Reise" und wirkte als Schauspieler in Georg Lhotzkys Scharang-Verfilmung "Das doppelte Leben" und in Franz Antels "Der Bockerer" mit.

Für seine künstlerischen Verdienste wurde Kutschera, der mit der 2009 verstorbenen Schauspielerin Susanne von Almassy verheiratet war, 1971 der Berufstitel "Professor" verliehen, 1975 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien und 1980 die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. In seinen Memoiren bezeichnete er das Theater als "Spiegel der gesellschaftlichen und geistigen Veränderungen".

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