Geteilte Aufnahme für Weill-Brecht-Premiere

Jubel und Buhs für "Mahagonny"

An der Wiener Staatsoper ist "Mahagonny" seit gestern im Repertoire- erstmals in der Geschichte des Hauses. Am Pult steht Ingo Metzmacher, inszeniert hat Jerome Deschamps. Zu hören sind unter anderem Angelika Kirchschlager und Elisabeth Kulmann. Ö1 hat live übertragen.

Die Uraufführung von Bertold Brechts und Kurt Weills "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" geriet 1930 zum Skandal. Zu kritisch waren die Themen um das "Goldene Kalb Geld"das eine ganze Stadt ins Verderben führt .Bis heute hat sich das Werk im gängigen Repertoire der großen Opernhäuser nicht durchsetzen können und das obwohl es wohl kaum ein aktuelleres Stück gibt als dieses.

Kultur aktuell, 25.01.2012

An der Wiener Staatsoper ist "Mahagonny" seit gestern im Repertoire- erstmals in der Geschichte des Hauses. Am Pult steht Ingo Metzmacher, inszeniert hat Jerome Deschamps. Zu hören sind unter anderem Angelika Kirchschlager und Elisabeth Kulmann. Ö1 hat live übertragen.

Mahagonny - Paradis oder Hölle? Alles ist in der Wüstenstadt erlaubt, die von Goldgräbern frequentiert und von Alkohol und Prostitution regiert wird, solange man es bezahlen kann. Aber Gnade demjenigen Gott, der eine Rechnung offen lässt - den ereilt die Todesstrafe.

In diesem zentralen Werk der späten 1920er Jahre warfen die Autoren die Frage der vermeintlichen Glückseligkeit eines hemmungslosen "Du darfst"-Lebensentwurfes auf, der unweigerlich in eine Situation führt, wie sie einst in Sodom und Gomorrah geherrscht hat.

In gewohnt scharfer Manier nehmen Brecht und Weill das Verhältnis der kleinen Leute zur Obrigkeit unter die Lupe, prangern den Kapitalismus an, der alles dem Geld unterordnet. Unweigerlich kommt einem der Gedanke was es wohl heute aktuelleres gäbe als "Mahagonny".

Regisseur Jerome Deschamps sieht das zwar genauso, verzichtet aber auf einen nüchternen, gegenwartsbezogenen Zugang, sondern setzt vielmehr auf Verfremdung.

Da schwirren die Protagonisten in clownesken, zirkusartigen Kostümen über die Bühne, die Choristen tragen überdimensional hohe Melonen auf ihren Köpfen, die Damen sind in kurze rote Kleider mit riesigen roten Herzen vor den Dekoltees gekleidet.

Dazwischen fahren am Fließband Koffer über die Bühne, die das Kommen und Gehen symbolisieren - Heinz Zednik als "Regisseur der Bühne" spricht verbindende Worte.

Alles ist sehr abstrakt, handzahm und in krassem Widerspruch zu den scharfzüngigen Texten die heute mehr denn je aufhorchen lassen.

Angelika Kirchschlager und Elisabeth Kulman stehen als Jenny Hill und Leokadja Begbick im Zentrum, Tomasz Konieczny ist als Dreieinigkeitsmoses, Christopher Ventris ist als Jim Mahoney zu hören.

Ingo Metzmacher dessen letzte Premiere Lady Macbeth von Mzensk im Haus am Ring gewesen ist, stand am Pult des Staatsopernorchesters. Und wer das Glück hatte, einen Sitzplatz mit Blick auf den Dirigenten zu haben , der kam auf seine Rechnung, denn es war ein Vergnügen, ihm zuzusehen; wie er Vergnügen an Text und Musik hatte, ja geradezu mitswingte.

Die Ovationen des Publikums galten am Ende des Abends auch überwiegend dem musikalischen Teil der Premiere. Ein einhelliger Aufschrei bei Elisabeth Kulmann und Ingo Metzmacher, Ovationen für Angelika Kirchschlager, Thomas Konieczny und Christopher Ventris und fast unwidersprochenen Buhrufe für das szenische Leadingteam.

"Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" ist bis 5. Februar noch drei Mal an der Wiener Staatsoper zu erleben.

Text: Susanna Dal Monte