Kunst lässt sich nicht planen

Herbert Brandl und die Berge

"Die Kunst ist mein Seil, die Kunst ist mein Steigeisen und mein Pickel." Eine schönes Bild: Die Kunst als Rüstzeug für eine Bergbesteigung. Dabei hat der Maler Herbert Brandl, dessen Bilder von gleißend weißen Gletschern und tiefblauem Himmel über den Gipfeln des Hochgebirges derzeit im Wiener Bank Austria Kunstforum zu sehen sind, gar nichts übrig für Metaphern.

Der Anblick eines Berges sei für ihn zunächst einmal nur "der Anblick eines Berges", nicht mehr und nicht weniger, sagt der Maler. Ein Haufen Steine, seit Urzeiten versteinerte Lebewesen, allenfalls eine faszinierende Abenteuerlandschaft. Was der Betrachter in Herbert Brandls Bilder hinein interpretiere, sei seine Sache.

Herbert Brandl, Künstler

Das Rüstzeug, um Brandls Bilder zu begreifen, entstammt der Gefühlswelt.

Der Berg als Gerüst

"In rotschwarzer Sonnenuntergangsstimmung sehen wir unser eigenes Leben, unsere romantischen Tage, wo wir mit verliebten Herzen dem Sonnenuntergang begegnet sind. Der Berg wird bei mir oft als Metapher missverstanden, für mich ist das keine Metapher, er ist ein Gerüst, in dem ich malen kann. Der gemalte Berg ist für mich wesentlich einfacher zu verstehen, als der wirkliche Berg."

So sagt er auch: "Die Dolomiten bestehen aus Korallenstöcken aus der Vergangenheit; unser Kalkgebirge besteht aus Lebewesen, die ihr Leben ausgehaucht haben und uns ihre Kalkschichten hinterlassen haben. Die Malerei ist frei davon."

Den Eindruck wirken lassen

Herbert Brandl geht leidenschaftlich gern in die Berge. Er betrachtet eine schroffe Felsformation oder auch eine grüne Hochalm allerdings vollkommen absichtslos. Brandl lässt den Anblick zunächst auf sich einwirken. Irgendwann, manchmal erst nach Jahren, tauchen dann Bilder, Farben, Umrisse in seinem Kopf wieder auf, und in einer Art meditativem Zustand bringt er die verinnerlichten Bilder nach außen, auf die Leinwand.

Manchmal dient als Vorlage für ein Bild auch nur eine Fotografie, die er sich aus welchem Grund auch immer eingeprägt hat. Das Ergebnis ist ein teils naturalistisches, teils abstraktes Werk, das, so der Künstler, unter anderem auch von der japanischen Zen-Malerei beeinflusst wurde. Wolle man seine Bilder rational verstehen, müsse man die europäische und die amerikanische Kunsttradition, wie auch die japanische Zen-Lehre kennen. Aber natürlich können seine Bilder auch ohne profunde Kenntnis der Kunsttheorie betrachtet werden, betont Herbert Brandl. Das Rüstzeug, um sie zu begreifen, entstammt der Gefühlswelt.

Das Leben ist endlich

"Ich bin ein Maler, ich verwende die Struktur des Berges, um die Farben auf die Leinwand zu kriegen", sagt Brandl. "Ob ich etwas bewirken kann bei jemandem, der das Bild betrachtet, kann ich nicht beeinflussen. Ich bin manchmal überrascht, wie Menschen auf meine Malerei reagieren, nämlich mit starken Gefühlen; das lässt mich weitermalen."

Weitermalen wäre vor nicht allzu langer Zeit für Herbert Brandl fast unmöglich geworden. Wahrscheinlich beim Bergsteigen, so seine Vermutung, hatte er sich eine Verletzung zugezogen, die in weiterer Folge zu einer geplatzten Arterie und somit beinahe zum Tod geführt hätte. Die Verletzung bescherte Brandl eine bis dahin nicht akzeptierte Einsicht: die Einsicht in die Unabänderlichkeit der eigenen Endlichkeit.

"Ich glaube, so lebensbedrohende Krankheiten verändern die Wahrnehmung von sich selbst und von seiner Umgebung. Ich hab bis 51 nicht gewusst, dass ich sterblich bin, jede Zelle von mir hat geglaubt, ich werde immer und ewig leben", so Brandl. Diese Einstellung habe sich beträchtlich verändert.

Kunst gegen Vergänglichkeit

Die Ärzte im Allgemeinen Krankenhaus ermöglichten ihm, so Herbert Brandl, das Überleben, und dieses Überleben beschäftigt den Maler seitdem. Nicht nur, weil die Krankheit einen tiefen Einschnitt in sein Unendlichkeitsempfinden bedeutete, auch praktische Konsequenzen im Alltag mussten gezogen werden: Immerhin basiert Brandls Arbeit zu einem beträchtlichen Teil auch auf körperlicher Leistungsfähigkeit - ein Bild von 3 mal 6 Metern Größe in einem Arbeitsgang durch zu malen, wie es Brandls Art ist, bewältigte er in der Zeit der Rekonvaleszenz daher nur mithilfe eines Assistenten. In der Zeit des akuten Überlebenskampfes war der Künstler auf das zurückgeworfen, was ihn im Innersten ausmacht.

Oft heißt es, Kunst sei die wirkungsvollste und nobelste Art, gegen Vergänglichkeit anzugehen. Herbert Brandl stimmt dem zu, es sei jedoch ein Angehen ohne jede Hoffnung. Die Vorstellung, dass ein Bild oder eine Fotografie einen Moment für die Ewigkeit festhalte, beeindruckt Brandl dennoch: "Es ist etwas total Berührendes, dass eine Ewigkeit festgehalten wird."

Gesammelte Anblicke

Das Kunstforum bietet einen umfassenden Überblick über Brandls Gesamtwerk. Zu sehen sind etwa auch Arbeiten, die an Ausschnitte aus Bildern Alter Meister erinnern oder van Gogh nachempfundene Sonnenblumen aus Brandls Frühzeit. Er sammle Anblicke, so Brandl, in ein Museum gehe er so wie er auf einen Berg gehe: absichtslos, denn Kunst lässt sich nicht planen, sie kommt von alleine - wann auch immer, davon ist Herbert Brandl überzeugt: "Ich stehe dort und denke mir, diesen Eindruck würde ich gern transportieren können; ich lass das einfach einwirken auf mich. Und irgendwann wird's heraus wollen."