Experte kaum überrascht
US-Abzug aus Afghanistan schon 2013
Ein Jahr früher als geplant, bereits 2013, sollen die Truppen der USA aus Afghanistan abgezogen werden. Diese Ankündigung von Verteidigungsminister Leon Panetta steht fast im Widerspruch zu dem kurz zuvor aufgetauchten Report der NATO, in dem vor der Rückkehr der Taliban an die Macht gewarnt wird. Experten zeigen sich nicht überrascht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 2.2.2012
Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig hat mit Lukas Zimmer und Karin Koller über die Vorgänge in Afghanistan gesprochen.
Erwartete Entwicklung
Die klare Ansage des Pentagons, dass die USA ihre Truppen schon 2013 aus Afghanistan abziehen wollen, hat offenbar auch die afghanische Regierung auf dem falschen Fuß erwischt. Mit merkbarer Verstimmung hieß es aus Kabul, die USA würden damit ihre eigenen Pläne für eine geordnete Übergabe des Landes gefährden. Afghanistan-Experte Thomas Ruttig zeigt sich hingegen nicht überrascht: Das hätten in Kabul schon die Spatzen von den Dächern gepfiffen, so Ruttig. Die Verbündeten wollten sich damit ein "Karenzjahr" schaffen, um zu überprüfen, ob die Übergabe an die afghanischen Sicherheitskräfte funktioniert hat.
Strategische Bedeutung Afghanistans
Vom Inhalt des geheimen NATO-Reports, der am Mittwoch britischen Medien zugespielt wurde, zeigt sich allerdings Ruttig erstaunt. Die NATO habe bisher wohl immer die Macht der Taliban im Land kleingeredet. Der Report weiche "radikal" von dem ab, was die NATO immer erzählt habe. Die Darstellung des NATO-Reports, dass die Taliban geradezu Marionetten des pakistanischen Geheimdienstes seien, will Ruttig nicht unterschreiben. Dass Pakistan sich aber gar nicht einmischt, wie die Regierung in Islamabad regelmäßig beteuert, sei auch nicht wahr. Denn Pakistan rüste sich für die Zeit nach dem Abzug der westlichen Truppen und den Machtkampf mit Nachbarn wie dem Iran. Außerdem sehe Pakistan Afghanistan als strategischen Rückzugsraum im Konflikt mit Indien.
Politische Lösung nötig
Der westlichen Afghanistan-Allianz rät Ruttig, sie solle nun endlich ehrlich mit sich und der eigenen Einschätzung der Lage in Afghanistan sein - und darüber hinaus ehrlich zu ihren Steuerzahlern, die den gesamten Einsatz bezahlt hätten. Nur dann könne man vielleicht doch noch eine Strategie finden um das Land zu stabilisieren - "durch eine Zusammenarbeit, die natürlich zivil sein muss." Allein schon die Tatsache, dass man die Taliban in zehn Jahren militärisch nicht habe besiegen können, zeigt für Ruttig die Notwendigkeit einer politischen Lösung. Alles andere würde, so Ruttig, unweigerlich wieder in den Bürgerkrieg münden.