Brisanter US-Militärbericht

"Pakistan unterstützt Taliban in Afghanistan"

Es gilt als offenes Geheimnis, dass der pakistanische Geheimdienst I.S.I. den afghanischen Taliban wohlwollend gegenübersteht. Ein Geheimdossier der afghanischen NATO-Einsatztruppe ISAF, das britischen Medien zugespielt wurde, stellt die Taliban nun aber geradezu als Marionetten des pakistanischen Geheimdienstes dar.

Mittagsjournal, 1.2.2012

Lukas Zimmer und Karin Koller

"Von Islamabad gelenkt"

27.000 Verhöre mit über 4.000 gefangenen Taliban, Al-Kaida-Kämpfern und Aufständischen waren die Basis des Reports. Ein hochrangiges Al-Kaida-Mitglied wird darin etwa mit den Worten zitiert: "Pakistan weiß alles. Sie kontrollieren alles. Ich kann nicht einmal in Kunar an einen Baum pinkeln, ohne dass sie es sehen." Die Taliban seien nicht vom Islam gelenkt, sondern von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, so der Al-Kaida-Kämpfer in einem der Verhöre.

Betretene Reaktionen

Die Publikation dieses Geheimberichts dürfte den USA und der NATO nicht wirklich angenehm sein. So erklärt das US-Verteidigungsministerium in einer ersten Reaktion nur kühl, man wisse offiziell nichts von dem solchen NATO-Dokument, man teile aber die darin geäußerte Einschätzung. Pentagon-Sprecher George Little: "Die pakistanische Regierung und vor allem das pakistanische Militär und der I.S.I. gefährden nicht nur die Ziele unserer strategischen Partnerschaft, sondern auch Pakistans Chance, eine geachtete Nation mit legitimem Einfluss in der Region zu sein".
Die Reaktion der internationalen NATO-Truppen in Afghanistan fällt einsilbig aus. ISAF- Sprecher Jimmie Cummings erklärt, das Dossier sei "ein vertrauliches Dokument". Daher werde man über dieses auch "unter keinen Umständen diskutieren".

Skepsis in Afghanistan

In Afghanistan will man die Lage nicht so dramatisch sehen. Sami Sadat, ehemaliger Regierungsberater, wertet das Dossier vielmehr als Beleg dafür, dass die afghanische Regierung noch mehr internationale Unterstützung brauche. Es stimme zwar, dass die Taliban in bestimmten Teilen Afghanistans immer mehr Einfluss hätten - aber nicht durch Sympathie und Mitsprache, sondern durch Unterdrückung und Einschüchterung, betont Sadat. Das Dossier zeige zudem, dass Pakistan weiterhin die afghanischen Aufständischen im Kampf gegen die internationalen Truppen unterstütze.

Das pakistanische Außenministerium wollte sich mit den Vorwürfen aus dem Dossier nicht auseinandersetzen. Diese seien schlicht "frivol", so die lapidare Reaktion des Sprechers im Pakistanischen Außenamt. Pakistan bekenne sich selbstverständlich zu einer Politik der Nicht-Einmischung in Afghanistan.

Keine Hilfe zur Entspannung

Die Veröffentlichung des Dokuments kommt jedenfalls zu einem äußerst unpassenden Moment für Pakistan. Am Mittwoch wird Pakistans Außenministerin Hina Rabbani Khar in der afghanischen Hauptstadt Kabul erwartet. Der ursprünglich gewünschte Effekt der Reise war es, das mehr als gespannte Verhältnis beider Staaten zueinander zu beruhigen. Die Chancen dafür sind sicherlich nicht gestiegen.