Brisanter US-Militärbericht
"Pakistan unterstützt Taliban in Afghanistan"
Es gilt als offenes Geheimnis, dass der pakistanische Geheimdienst I.S.I. den afghanischen Taliban wohlwollend gegenübersteht. Ein Geheimdossier der afghanischen NATO-Einsatztruppe ISAF, das britischen Medien zugespielt wurde, stellt die Taliban nun aber geradezu als Marionetten des pakistanischen Geheimdienstes dar.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 1.2.2012
Lukas Zimmer und Karin Koller
"Von Islamabad gelenkt"
27.000 Verhöre mit über 4.000 gefangenen Taliban, Al-Kaida-Kämpfern und Aufständischen waren die Basis des Reports. Ein hochrangiges Al-Kaida-Mitglied wird darin etwa mit den Worten zitiert: "Pakistan weiß alles. Sie kontrollieren alles. Ich kann nicht einmal in Kunar an einen Baum pinkeln, ohne dass sie es sehen." Die Taliban seien nicht vom Islam gelenkt, sondern von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, so der Al-Kaida-Kämpfer in einem der Verhöre.
Betretene Reaktionen
Die Publikation dieses Geheimberichts dürfte den USA und der NATO nicht wirklich angenehm sein. So erklärt das US-Verteidigungsministerium in einer ersten Reaktion nur kühl, man wisse offiziell nichts von dem solchen NATO-Dokument, man teile aber die darin geäußerte Einschätzung. Pentagon-Sprecher George Little: "Die pakistanische Regierung und vor allem das pakistanische Militär und der I.S.I. gefährden nicht nur die Ziele unserer strategischen Partnerschaft, sondern auch Pakistans Chance, eine geachtete Nation mit legitimem Einfluss in der Region zu sein".
Die Reaktion der internationalen NATO-Truppen in Afghanistan fällt einsilbig aus. ISAF- Sprecher Jimmie Cummings erklärt, das Dossier sei "ein vertrauliches Dokument". Daher werde man über dieses auch "unter keinen Umständen diskutieren".
Plan für Machtübernahme
Laut dem Dokument hat der pakistanische Geheimdienst die Taliban de facto unter seiner Kontrolle. Der I.S.I. stehe in Kontakt zu den Taliban-Führern und übe schamlos Einfluss auf sie aus. Der Plan laufe auf nichts Geringeres hinaus, als gemeinsam die Macht in Afghanistan an sich zu reißen, sobald die ISAF-Truppen im Jahr 2014 das Land verlassen, so die Schlussfolgerung in dem brisanten Dokument.
Skepsis in Afghanistan
In Afghanistan will man die Lage nicht so dramatisch sehen. Sami Sadat, ehemaliger Regierungsberater, wertet das Dossier vielmehr als Beleg dafür, dass die afghanische Regierung noch mehr internationale Unterstützung brauche. Es stimme zwar, dass die Taliban in bestimmten Teilen Afghanistans immer mehr Einfluss hätten - aber nicht durch Sympathie und Mitsprache, sondern durch Unterdrückung und Einschüchterung, betont Sadat. Das Dossier zeige zudem, dass Pakistan weiterhin die afghanischen Aufständischen im Kampf gegen die internationalen Truppen unterstütze.
Das pakistanische Außenministerium wollte sich mit den Vorwürfen aus dem Dossier nicht auseinandersetzen. Diese seien schlicht "frivol", so die lapidare Reaktion des Sprechers im Pakistanischen Außenamt. Pakistan bekenne sich selbstverständlich zu einer Politik der Nicht-Einmischung in Afghanistan.
Keine Hilfe zur Entspannung
Die Veröffentlichung des Dokuments kommt jedenfalls zu einem äußerst unpassenden Moment für Pakistan. Am Mittwoch wird Pakistans Außenministerin Hina Rabbani Khar in der afghanischen Hauptstadt Kabul erwartet. Der ursprünglich gewünschte Effekt der Reise war es, das mehr als gespannte Verhältnis beider Staaten zueinander zu beruhigen. Die Chancen dafür sind sicherlich nicht gestiegen.