Offenbar Korruptionsklagen verschleppt

Pakistan: Regierungschef muss vor Gericht

Pakistans Regierung gerät immer mehr in Bedrängnis. Zu einem seit Monaten gärenden Machtkampf verstärkt nun eine weitere Institution ihren Druck auf die Regierung: Das Oberste Gericht hat Regierungschef Yousuf Gilani für den kommenden Donnerstag vorgeladen. Gilani muss sich wegen verschleppter Korruptionsklagen gegen Spitzenpolitiker. Eine Verurteilung wäre das Ende der Regierung.

Mittagsjournal, 16.1.2012

Eigentlich Präsident Zardari im Visier?

Immer, wenn Pakistans Regierungen gefährlich wanken, gehen Schockwellen durch die Welt. Der 180-Millionen-Einwohnerstaat hat nicht nur ein grimmiges Terrorproblem mit Taliban und Al-Kaida, das er nicht in den Griff bekommt. Er hat auch eines der weltweit am schnellsten wachsenden Atomwaffenarsenale und steht derzeit wirtschaftlich am Abgrund.

Gilani führt eine Regierung der PPP, der Pakistans Peoples Party, deren Chef Präsident Asif Ali Zardari ist. Experten erklären, Zielscheibe des Obersten Gerichts sei in Wahrheit Zardari. Es sind die Korruptionsklagen gegen diesen, die die Richter nun aus der Schublade ziehen. Die Regierung hatte sich mit dem Argument der Immunität geweigert, die Verfahren wieder aufrollen zu lassen.

Gilani stellt sich Vertrauensvotum

"Ich bin dem Gericht absolut verantwortlich", reagiert Regierungschef Gilani auf die Vorladung. Er beharre nicht darauf, fünf Jahre lang als Premierminister zu bleiben. Aber das Parlament müsse weiter so bestehen bleiben, wie es die Wähler bestimmt hätten.

Vom Parlament will sich Gilani am Montag das Vertrauen aussprechen lassen. Dies, um Rückendeckung an einer anderen Front im Machtkampf mit dem Militär zu erhalten.

Einem Militär, das in Pakistan nicht nur eine Wirtschaftsmacht ist, sondern auch Sicherheit- und Außenpolitik in der Hand hat.

"Memogate"-Skandal lässt Streit eskalieren

Offen ausgebrochen ist der Streit zwischen der schwachen Regierung und dem starken Militär durch den "Memogate"-Skandal. Im Oktober ist ein anonymes Memorandum aufgetaucht, in dem ein Vertrauter von Präsident Zardari Washington um Hilfe gegen das mächtige Militär bittet und den USA dafür sicherheitspolitische Einflussnahme verspricht.

"Fälschung" wehrt sich die Regierung, "Verschwörung" rufen aufgebracht Armee- und Geheimdienst. Auch diesen Fall bearbeitet das Oberste Gericht, das in Pakistan ein drittes Machtzentrum ist - und sichtlich nicht auf der Seite von Gilani, Zardari und ihrer PPP steht.

Militär droht mit "ernsthaften Konsequenzen"

Der Streit hat sich vergangenen Woche zugespitzt: Da hatte die Armeeführung mit "ernsthaften Konsequenzen" - will heißen Putsch - gedroht und Gilani hat wütend mit der Entlassung seines Verteidigungsminster reagiert.

Die Untersuchungskomission im Fall "Memogate" soll am Montag ihre Ergebnisse vorlegen. Die Lage ist verfahren. Pakistanische Medien sehen bereits die Regierung stürzen und spekulieren mit vorzeitigen Neuwahlen.

In den Startlöchern stehen unter anderen Pakistans Kricketlegende und neuer Politikstar, Imran Kahn, und möglicherweise Ex-Diktator Pervez Musharraf - beide mit besten Beziehungen zum Militär.