Der Schriftsteller Ahmed Rashid im Gespräch

Pakistan: Die gefährlichste Region der Welt

Einer der ersten Verbündeten der Bush-Regierung im "Krieg gegen der Terror" war Pakistan. Derzeit fehle es aber völlig an Vertrauen zwischen Pakistan und den USA, sagt der pakistanische Autor und Journalist Ahmed Rashid. Der Antiterrorkrieg machte aus Pakistan ein Land ohne Aussicht auf Frieden.

Mittagsjournal, 7.9.2011

Barbara Ladinser

Strategische Interessen

Bis heute sind die USA und Pakistan aufeinander angewiesen. Pakistan braucht die USA, weil Washington allein an Militärhilfe über eine Milliarde Dollar im Jahr überweist. Die USA wiederum brauchen Pakistan als Schleuse für den Nachschub in Afghanistan, und vor allem haben die USA ein strategisches Interesse an der Sicherheit der pakistanischen Atomwaffen, was sie unausweichlich an Pakistan bindet.

Kriegszustand seit 2004

Seit George W. Bushs Antiterrorkrieg ist Pakistan mit seinen 160 Millionen Einwohnern nicht mehr zur Ruhe gekommen.

Pakistan ist ein Land im Kriegszustand, sagt Ahmed Rashid, und zwar spätestens seit 2004, seit die pakistanischen Taliban unterstützt von Al-Kaida ihren Terrorfeldzug im eigenen Land begonnen haben. Die pakistanische Bevölkerung bezahlt einen schrecklich hohen Preis, sagt der Autor.

"Regierung ist schwach"

Politisch, wirtschaftlich, sozial, überall herrscht Krise, sagt Rashid, das Verhältnis mit den USA liegt im Argen, und niemand investiert in Pakistan. Barack Obama habe viel getan, um Pakistan zu stabilisieren. Er hat siebeneinhalb Milliarden Dollar US-Hilfe für Wirtschaft und Zivilgesellschaft durchgesetzt.

Geändert, so Rashid, hat das wenig: "Das Problem ist, dass in Pakistan Außenpolitik immer in den Händen des Militärs war und ist. Die Regierung ist schwach, zerstritten, korrupt und an all diesen Problemen wenig interessiert, was tragisch ist und dem Militär gleichsam freie Hand lässt."

Tiefes Misstrauen

Und im Militär und noch mehr im Geheimdienst gebe es starke antiamerikanisch eingestellte Gruppen, die mit radikalen Islamisten sympathisierten. In ihren Augen verletzt das US-Militär mit seinen Anti-Terror-Operationen in Pakistan permanent die nationale Souveränität. Die Tötung von Osama bin Laden im US-Alleingang hat das Misstrauen auf beiden Seiten weiter vertieft.

"Es gibt derzeit so große Probleme zwischen der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst ISI, zwischen beiden Militärführungen, zwischen den jeweiligen Außenministerien und zwischen den Regierungen. Hier muss ein strategischer Dialog her", fordert Rashid.

Keine Kredite, kein Wachstum

Solange das Verhältnis zu den USA so schlecht ist, gibt es für Pakistan auch kein internationales Vertrauen, also keine Kredite, kein Wachstum - keinen Ausweg aus der Krise.

Zugleich gerät das Land immer mehr in den Würgegriff der Extremisten. Der Gouverneur von Pandschab, Salman Taseer, ist ermordet worden, weil er für eine Christin Partei ergriffen hatte. Journalisten, Rechtsanwälte, Menschenrechtsaktivisten werden genauso bedroht.

"Eine riesige Unsicherheit"

"Wir wissen nicht einmal, ob die Bedrohung von den Geheimdiensten oder extremistischen Gruppen kommt. Es herrscht eine riesige Unsicherheit, und niemand kann voraussagen, was in Pakistan passieren wird", sagt Rashid.

"Sturz ins Chaos. Afghanistan, Pakistan und die Rückkehr der Taliban", lautet der Titel des jüngsten Buches von Ahmed Rashid. Seine zentrale These: nach dem von den USA erklärten Krieg gegen den Terrorismus ist die Welt unsicherer, als sie es an jenem folgenschweren Septembertag im Jahre 2001 war.