Düstere Aussichten nach US-Abzug

Afghanistan und Irak nach 9/11

Vier Wochen nach dem Terroranschlag in New York am 11. September attackierten die USA mit ihren NATO-Partnern Afghanistan. Im März 2003 griffen die USA den Irak an. Heute ist die Bilanz für beide Länder bitter: zehntausende Tote, keine Sicherheit, keine Stabilität und schon gar keine Demokratie.

Morgenjournal, 7.9.2011

Barbara Ladinser

Überbordende Gewalt

Ein ganz gewöhnlicher Tag im Irak: In einem Supermarkt im Süden von Bagdad explodiert ein Sprengsatz, der unter Gemüse in einem Einkaufswagen versteckt ist, 21 Menschen sterben.

In Kerbala fordern zwei Attentate drei Todesopfer, in Kirkuk werden drei Polizisten verletzt, in Bagdad erschießen Unbekannte einen Ministerialbeamten, Militante greifen eine US-Basis mit Mörsergranaten an. In keinem anderen Land hat der Terrorismus in den letzten Jahren so viele Opfer gefordert wie im Irak.

Korruption und Unterversorgung

Die Gewalt ist inzwischen zwar weniger geworden, aber sie ist Alltag. Al-Kaida ist geschwächt, aber nicht besiegt. Vom Iran angestachelt und bewaffnet, machen schiitische Milizen den US-Truppen das Leben so gefährlich wie möglich. Dazu kommt die tiefe Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten.

In der Regierung sind zwar die wichtigsten Gruppen vertreten, aber Streit lähmt jeden politischen Fortschritt, Korruption grassiert, Arbeitsplätze sind rar und die Iraker leben nicht nur gefährlich, sondern sind auch schlecht versorgt. Der Großteil der US-Truppen verließ den Irak vor zwei Jahren, 46.000 Mann sind noch da, bis Dezember sollen auch sie gehen. Ob ein paar tausend bleiben, ist immer noch nicht entschieden.

Comeback der Taliban

Noch finsterer ist die Lage in Afghanistan. Den Taliban ist ein dramatisches Comeback gelungen, sie kontrollieren inzwischen 70 Prozent des Landes, erheben Steuern und setzen ihre Gesetze durch. In Kabul herrscht die vom Westen gestützte Regierung von Präsident Hamid Karsai, ineffizient und korrupt teilt sie sich Macht und Profit mit gekauften Warlords und Regionalfürsten.

In drei Jahren sollen die US-geführten NATO-Truppen Afghanistan verlassen. Die Verantwortung für die Sicherheit wird dann zur Gänze in die Hände der afghanischen Armee und Polizei übergehen.

Kein Frieden in Sicht

Alle Seiten versuchen derzeit, Terrain zu gewinnen. NATO-Bomber nehmen seit Monaten jede Nacht Taliban-Verstecke ins Visier, um den Gegner so hart wie möglich zu treffen, oft ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Die Taliban schlagen zurück, jagen Politiker der Regierung in die Luft und haben allein im August 66 US-Soldaten getötet.

NATO-Generäle und internationale Gemeinschaft geben sich trotzdem optimistisch. Sie setzen große Erwartungen in konstruktive Gespräche zwischen Taliban und der Regierung Karsai, aber vor allem zwischen Taliban und den USA. Aber solange die Gewalt eskaliert und nicht alle Seiten große Zugeständnisse machen, ist Frieden nicht in Sicht.

Morgenjournal, 7.9.2011

Volker Perthes im Gespräch mit Peter Fritz

Was lief falsch?

Was ist falsch gelaufen? Warum haben sich die USA und ihre Verbündeten derart verkalkuliert? Und welche Möglichkeiten gäbe es jetzt noch angesichts der verfahrenen Situation? Volker Perthes, Experte für internationale Beziehungen und Direktor der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik meint, die Erfolge seien in beiden Kriegen hinter dem zurückgeblieben, was man sich erwartet habe.

Link

Stiftung Wissenschaft und Politik