Gespräch mit Andreas Mailath-Pokorny
Wiens Kulturszene auf den Barrikaden
Die Kultur- und Kunstszene steigt auf die Barrikaden – so hat es zumindest in den letzten Wochen den Anschein gehabt. Plattformen und Initiativen wie "Kunst hat Recht" formieren sich und formulieren Wünsche, Bedenken und Forderungen. In Wien richten sich diese Forderungen speziell an das Kulturamt der Stadt Wien und an Andreas Mailath-Pokorny.
8. April 2017, 21:58
Die Initiative Kunstplatz Karlsplatz fordert mehr Engagement vonseiten der Stadt Wien, und statt kleiner kosmetischer Eingriffe für den Karlsplatz wirkliche Entscheidungen - was das Künstlerhaus anlangt oder auch das Wien Museum.
Ein anderer Schauplatz ist die Theaterszene. Die Plattform der zeitgenössischen Theater und Tanzhäuser hat sich letzte Woche an die Öffentlichkeit gewandt und fordert mehr Geld und das Einbeziehen der großen Bühnen in die Theaterreform. Und die Plattform freies Musiktheater Wien ist mit Mailaths Lösungsvorschlag für die Wiener Kammeroper unzufrieden.
Kulturjournal, 03.02.2012
Andreas Mailath-Pokorny zur Theaterszene
Weil sich der Bund als Subventionsgeber aus der Kammeroper immer mehr zurückgezogen und die Subventionen ab 2012 komplett eingestellt hat, wurde bereits ein Teil der Mitarbeiter gekündigt, die Kammeroper stand vor dem Zusperren. Doch jetzt hat man vonseiten der Stadt Wien eine Lösung gefunden, wie man mit dem verbleibenden Subventionsrest - den 700.000 Euro der Stadt - das Haus weiterhin bespielen kann.
So soll statt dem bisherigen Leiter, Holger Bleck, der derzeitige Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer, die Kammeroper ab Herbst für drei Jahre übernehmen und sie als zusätzliches Haus führen. Geyer, der ja in der vergangenen Woche von seinem Intendantenvertrag in Bregenz zurückgetreten ist, wird an der Kammeroper voraussichtlich ein junges Ensemble etablieren, oder das Haus als Studiobühne nutzen – konkrete Pläne hat er noch nicht vorgelegt.
Fix ist, dass vier Kammeroper-Produktionen im Jahr vom Theater an der Wien bestritten werden sollen, ein bis zwei Produktionen sollen aus der freien Wiener Opernszene kommen.
Das Modell ist freilich umstritten: Von einer "feindlichen Übernahme und kalten Enteignung" spricht die ÖVP Wien, damit werde ein weiterer Kulturbetrieb in den Moloch der Wien Holding eingegliedert, und die freien Operngruppen, die sich in der vergangenen Woche mit einem gemeinsamen Statement gegen das "Kammeropernmodell neu" an die Öffentlichkeit gewandt haben, wehren sich gegen ein - wie sie meinen - hierarchisches Modell mit einer versteckten Intendanz Roland Geyers. Andreas Mailath-Pokorny verteidigt sein Modell:
Kulturjournal, 03.02.2012
Andreas Mailath-Pokorny zum Problem Kammeroper
Schon vor Roland Geyers Entscheidung gegen Bregenz war das neue Modell für die Kammeroper fixiert, sagt der Wiener Kulturstadtrat, sprich: von langer Hand vorbereitet. Umso erstaunter waren Wiens Musiktheatergruppen, seit 2010 in der Plattform "Freies Musiktheater Wien" vereint, als sie aus den Medien erfahren haben, dass sie ein bis zwei Opernproduktionen in der "Kammeroper neu" bestreiten sollen und dass Walter Kobera, der Gründer der "Neuen Oper Wien", dort ihre Interessen vertreten soll. In einer gemeinsamen Presseaussendung stellten sie sich dagegen - wiederum zum großen Erstaunen der Kulturabteilung der Stadt Wien.
Kulturjournal, 03.02.2012
Plattform "Freies Musiktheater Wien"