EU-Außenminister beraten über Syrien und Serbien

Sanktionen und EU-Beitrittskandidaten-Status

Die Außenminister der Europäischen Union werden heute in Brüssel heikle Fragen diskutieren. Unter anderem werden sie neue Sanktionen gegen das syrische Regime beschließen. Ganz oben auf der Agenda steht auch der EU-Beitrittskandidaten-Status für Serbien.

Serbien: Entscheidung über Kandidatenstatus

Belgrad blickt nach Brüssel, denn diese Woche bringt entscheidende Weichenstellungen für Serbiens Zukunft. Die Außenminister beraten, ob Serbien den Status des EU-Beitrittskandidaten verliehen bekommt. Die formelle Entscheidung müssen dann die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am Freitag fällen. Die Chancen, dass es dazu kommen wird, stehen gut, wie EU-Diplomaten durchsickern ließen. Denn zum ersten Mal stehen die Zeichen in der Kosovo-Frage auf Entspannung. Die serbische Regierung, die sich bisher stets gegen die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz Kosovo stemmte, hat vergangene Woche ein Abkommen mit der Regierungsvertretern aus Pristina unterzeichnet.

Annäherung Serbien-Kosovo ist Grundbedingung

Darin klären die beiden Länder, wie der Kosovo künftig an regionalen Konferenzen teilnehmen kann, obwohl Serbien den seit Anfang 2008 unabhängigen Staat nach wie vor als Teil seines Staatsgebietes betrachtet. Sie haben auch beschlossen, Übergänge an ihrer Grenze künftig gemeinsam zu kontrollieren. Eine Annäherung der beiden Länder ist eine Grundbedingung der EU-Staaten, um Serbien den Status als EU-Beitrittskandidat zu verleihen. Denn es dürfe kein ungelöstes Problem nach Europa importiert werden, wie es ein Diplomat auf den Punkt bringt. Serbien aber hat zahlreiche Fürsprecher: Die Außenminister von Frankreich, Italien und Österreich haben eine entsprechende Initiative gestartet, der sich nun auch die Außenminister von Tschechien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei angeschlossen haben.

Neue Sanktionen gegen Syrien

Während Europa in Richtung Serbien positive Signale sendet, bekommt das Regime in Syrien erhöhten diplomatischen Druck zu spüren. Die Europäische Union erweitert ihre bereits bestehende Liste von Sanktionen. Sieben Minister der Regierung von Bashar Al-Assad dürfen nicht mehr in die EU einreisen und ihr hier veranlagtes Geld wird eingefroren. Eingefroren werden auch die Vermögenswerte der syrischen Nationalbank in Europa. Außerdem wird der Handel mit Gold, Edelmetallen und Edelsteinen aus Syrien verboten. Ebenfalls untersagt werden Frachtflüge zwischen Syrien und der EU. Passagierflüge bleiben erlaubt. Mit den Zwangsmaßnahmen wollen die 27 Außenminister gegen die brutale Unterdrückung und Verfolgung der Opposition in Syrien protestieren.

Morgenjournal, 27.02.2012

Außenminister Michael Spindelegger im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen

"Knapp vor einem Bürgerkrieg"

Außenminister Michael Spindelegger ist sicher, dass die Sanktionen das syrische Regime treffen werden. Man dürfe sich aber nichts vormachen, die Sanktionen werden Assad vorläufig nicht davon abhalten, weiter auf Demonstranten zu schießen, sagt Spindelegger. Wenn es immer schwieriger wird, seine Bevölkerung zu versorgen, dann wird es für Assad auch immer schwieriger, den internen Druck auszuhalten, ist Spindelegger von der Wirksamkeit von Sanktionen überzeugt. Syrien sei knapp vor einem Bürgerkrieg und das bedeute, dass der Druck auf Assad von innen und außen wachse, so Spindelegger.

Abkommen Serbien-Kosovo

Serbien hat im Streit um die Autonomie des Kosovo ein wichtiges Zugeständnis gemacht: Auf regionaler Ebene darf die Regierung in Pristina künftig autonom Abkommen unterzeichnen. Im Kosovo wird dieser Schritt allerdings von vielen abgelehnt, weil Serbien damit nur seine Chancen auf dem Weg in die EU verbessern wolle.

Proteste in Pristina

Die Proteste gegen das Abkommen werden von der drittgrößten kosovarischen Partei mit dem Namen Selbstbestimmungsrecht organisiert. Für sie ist das Abkommen ein nationaler Verrat, weil die Regierung in Pristina akzeptiert hat, dass auf dem Namensschild bei Konferenz nur das Wort Kosovo und nicht auch die Bezeichnung „Republik“ steht. Außerdem verweist eine Fußnote auf die UNO-Resolution 1244, die nach Belgrader Lesart den Kosovo als Teil Serbiens definiert. Die Partei Selbstbestimmungsrecht fordert eine Sondersitzung des Parlaments und will zu Mittag das Regierungsgebäude in Pristina blockieren. Ausschreitungen sind nach bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich.

Chefunterhändlerin betont Vorteile

Daher ruft die kosovarische Chefunterhändlerin in Brüssel, Edita Tahiri, zur Besonnenheit im Kosovo auf: „Ich rufe alle Politiker aber auch die Öffentlichkeit auf, sich auf die klaren Folgen der Vereinbarungen zu konzentrieren. Der Kosovo wird ein volles Mitglied regionaler Organisationen sein, wird nun gleichberechtigt mit anderen Staaten sein, und nicht mehr von der UNO-Verwaltung vertreten werden. Zweitens wurde dem Kosovo die Tür geöffnet für ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen mit der EU, wobei die Machbarkeitsstudie der EU dazu der erste Schritt sein wird. Und drittens hat der Kosovo ein erste Vereinbarung mit Serbien geschlossen, und das ist die Vereinbarung über die integrierten Grenzkontrollen.“

Gemeinsame Grenzkontrollen

Diese gemeinsamen Kontrollen an den sechs Grenzübergängen müssen aber erst noch baulich und administrativ umgesetzt werden. Das wird wohl einige Monate dauern. Wie schwierig vor allem im Nord-Kosovo die Lage noch immer ist, zeigt der Umstand, dass die EU-Polizeimission EULEX wegen Barrikaden von Kosovo-Serben noch immer über eine nur eingeschränkte Bewegungsfreiheit verfügt.

"Serbien war bereit, Zugeständnisse zu machen"

Die EU brauche kein Krisenland am Westbalkan, sondern ein gut verwaltetes Serbien, sagt Außenminister Spindelegger. Mit dem in Aussicht gestellten EU-Beitrittskandidaten-Status sei Serbien bereit gewesen, Zugeständnisse zu machen und in der Frage der Grenzkontrollen einen gemeinsamen Weg mit dem Kosovo zu gehen. Österreich habe mit den Ländern des Westbalkans ein traditionell gutes Verhältnis. "Ich möchte, dass diese Linie, aus all diesen Ländern, stabile Länder am Balkan zu machen, verfolgt wird, und das geht nur, wenn sie die Perspektive Europa vor sich haben."

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