Geplant von Renzo Piano
Neues Whitney Museum
In den Vereinigten Staaten gehört die Whitney Biennale zweifellos zu den wichtigsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Als Barometer der neuesten US-amerikanischen Kunstproduktion hat sich die Ausstellung seit ihren Anfängen im Jahre 1932 etablieren können.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 28.02.2012
Schauplatz der Whitney Biennale ist das gleichnamige Whitney Museum für amerikanische Kunst in New York. Dort wird am 1. März 2012 die 76. Whitney Biennale eröffnet. Neben zahlreichen Größen der amerikanischen Gegenwartskunst wie Mike Kelley oder Andrea Fraser sind auch einige Europäer vertreten. Darunter zum Beispiel der deutsche Regie-Altmeister Werner Herzog, der eine Multimedia-Installation zeigen wird.
Bis dato befindet sich das Whitney Museum in der vornehmen Upper East Side, konkret in einem berühmten Museumsbau, den Bauhaus-Schüler Marcel Breuer in den 1960er Jahren entworfen hat. Ein Schmuckstück moderner Architektur, das allerdings für die umfangreichen Sammlungsbestände des Museums längst viel zu klein geworden ist. Deshalb wird ein neues Whitney Museum im Südwesten Manhattans gebaut. Die Architektur stammt von Renzo Piano. Die Eröffnung ist für 2015 geplant.
Noble Boutiquen ersetzten Schlachtbetriebe
Noch ist nicht viel zu sehen auf der prominentesten Baustelle im New Yorker Meatpacking District im Südwesten Manhattans. Dass hier bereits 2015 eines der modernsten Museen der Welt stehen soll bemerkt nur, wer es weiß. Gebaut wird seit letztem August. Vorerst ist man aber noch dabei, das Fundament des Prestigeprojekts auszuheben.
Ein Tor zur New Yorker High Line soll das neue Whitney Museum werden, also ein Tor zu jener stillgelegten Hochbahntrasse, die seit 2006 zur öffentlichen Parkanlage umgestaltet worden ist. Einst wurden hier Rinderhälften und Schweinebäuche von den Schlacht- und Fleischereibetrieben, denen der Meatpacking District seinen Namen verdankt, in die ganze Stadt weitertransportiert. Heute zieren Wildgräser und Birken dieses Relikt einer ehemaligen Industrielandschaft, die ihre ursprüngliche Bestimmung längst verloren hat.
Aufwertung des Viertels
Entlang der High Line sind neue Mieter eingezogen: Im Norden, im einstigen Hafengebiet Chelsea, sind Lagerhallen seit den frühen 1990er Jahren zu Galerien umgestaltet worden. Im südlichen Meatpacking District sind die meisten Schlachtbetriebe schicken Boutiquen und Restaurants gewichen. Die amerikanische Modedesignerin Diane Fürstenberg hat sich hier niedergelassen, andere Luxusmarken sind ihrem Beispiel gefolgt. Ein rasanter Wandel, den der Oberösterreicher Dieter Schoellnberger mit Interesse verfolgt hat:
"Vor zehn bis 15 Jahren war die Gegend hier ganz anders. Am Abend hätte man hier nicht frei spazieren können. Die Gegend war ein bisschen zwielichtig. Teilweise gab es hier früher illegale Nachtclubs, Drogen wurden verkauft, es gab Prostitution. Es war nicht das feinste Viertel."
Dieter Schoellnberger, geboren in Wels, lebt seit über zehn Jahren in New York. Schoellnberger ist studierter Architekt und der Projektmanager des 750 Millionen Dollar teuren Whitney-Neubaus. Seine Aufgabe ist es, zwischen Architekten, Bauleitung und Museumsführung zu vermitteln. Jahrelang, erzählt er, wurde geplant, bevor das Bauprojekt in Angriff genommen werden konnte:
"Das Whitney Museum hat viele Jahre versucht, in der Upper East Side zu expandieren und einige Architekten engagiert, die Vorschläge für den Ausbau des alten Standorts erarbeiteten - Rem Koolhaas zum Beispiel und eben auch Renzo Piano. Aber die Erweiterung in der Upper East Side ist sehr schwierig: Die einzige Möglichkeit, die man dort hat, ist in die Vertikale zu gehen. Aber die Anrainer haben diesen Plänen nicht zugestimmt", sagt Dieter Schoellnberger.
Stararchitekten unter sich
Jetzt zieht das Whitney Museum, das an seiner alten Adresse in der gediegenen Upper East Side aus allen Nähten platzt, in den Meatpacking District - ein Trendviertel, das noch in den frühen 1990er Jahren einen eher zwielichtigen Ruf genossen hat.
Renzo Pianos Entwurf des neuen Whitney Museum gleicht einem massiven, achtstöckigen Block, der sich nach oben hin in Terrassen verjüngt. Auf den Terrassen soll ein Skulpturenpark eingerichtet werden. Für wechselnde Sonderausstellungen ist eine großzügige, circa 1600 Quadratmeter große Ausstellungsfläche geplant, die ohne Säulen auskommt - die größte dieser Art in ganz New York.
Trotzdem reagierten die New Yorker Architekturkritiker bis dato eher zurückhaltend. Justin Davidson vom "New York Magazine" spricht gar von einer vergebenen Chance und vergleicht Pianos Entwurf mit einem klobigen Kreuzfahrtschiff, das am Ufer des Hudson River gestrandet ist. In jedem Fall konkurriert Pianos Entwurf nicht nur mit Marcel Breuers Gebäude, in dem das Whitney Museum bis dato untergebracht ist, sondern auch mit den Bauwerken sogenannter Stararchitekten, die in den letzten Jahren rund um die High Line gebaut haben, darunter Frank Gehry und Jean Nouvel. Eine rasante Entwicklung, wie die Immobilienmaklerin Anna Shagolov findet:
"Die Aufwertung dieses Viertels ging rasend schnell. Wenn man sich hier umschaut und die vielen neuen Gebäude sieht, die in den letzten Jahren gebaut worden sind, ist man wirklich beeindruckt. Das Gebiet hier ist ein Mekka der Kunstszene geworden - und zwar nicht nur wegen der Galerien in Chelsea. Wenn das Whitney Museum hierher zieht, wird dieser Trend untermauert. Die Immobilienpreise werden wohl weiter in die Höhe schnellen."