Ein vergessenes Relikt der Alltagskultur
Das Gschwandner
Ein von außen unscheinbares Gebäude in der Geblergasse in Wien-Hernals war einst die beliebteste Unterhaltungsstätte der Gegend. Das "Grand Etablissment Gschwandner" wurde über Generationen von der Familie Gschwandner betrieben, die bis ins 17. Jahrhundert nachweisbar ist.
8. April 2017, 21:58
1838, als das "Gschwandner" als Heuriger gegründet wurde, war Hernals ein ländlich geprägter Vorort von Wien, mit Weinbergen und Ackerflächen. Erst 1892 wurde Hernals eingemeindet und Grünflächen zu Baugründen umgewidmet.
Unterhaltungstempel in den Weinbergen
Die Historikerin Astrid Göttche hat Forschungen zur Wiener Unterhaltungs- und Freizeitkultur angestellt. Das Gschwandner wurde nicht nur von einem lokalen Publikum besucht: "Im 19. Jahrhundert begann man, sich gen Wienerwald zu orientieren, also ins heutige Pötzleinsdorf oder Dornbach, um dort Heurigen aufzusuchen - oder auch um auf Sommerfrische zu fahren. Auf dem Weg dorthin und zurück ist auch ein innerstädtisches Publikum im Gschwandner vorbeigekommen."
Im Buch "Das Gschwandner. Ein legendäres Wiener Etablissement", das Göttche gemeinsam mit dem Architekten Erich Bernard im Metroverlag herausgegeben hat, wird neben der Unterhaltungskultur Wiens auch die Baugeschichte des Gschwandner aufgearbeitet. Je nach finanzieller Lage und Bedarf wurde das Gschwandner ständig um neue Gebäudeteile erweitert. Mit dem Zubau neuer Säle wurde auch das Unterhaltungsangebot erweitert, so Göttche.
Weltrekorde und Tanzbeine
Das Gschwandner war ein beliebter Austragungsort von Vereinskränzchen, Weinfesten, Gartenschauen, Militärkonzerten, Faschingsfesten und anderen Tanzveranstaltungen, legendär waren die Wäschermädelbälle und die Fiakerbälle. Je nach Anlass wurde der große Saal, eine geräumige Halle mit korinthischen Säulchen, großen Fenstern und Deckenstuck, festlich geschmückt. Die Familie Gschwandner, die selbst die Programmierung vornahm, hatte ein gutes Gespür für Trends in der Unterhaltungskultur: 1907 wurde ein Kinematograf installiert. Auch Sportveranstaltungen wie Boxkämpfe wurden hier ausgetragen, erzählt Astrid Göttche.
"Bemerkenswert ist, dass 1911 ein Weltrekordabend stattgefunden hat, der auch als solcher angekündigt wurde. Da vermochte es der Wiener Karl Swoboda, 186,5 Kilogramm zu stoßen, also Gewicht zu heben. Dieser Abend stand ganz im Zeichen dieses Weltrekordes, der bis in die 1950er Jahre Bestand hatte. Dieser Abend stand zwar ganz im Zeichen des Weltrekords, doch fand mit Tanz und Musik auch ein Begleitprogramm statt."
Die Spuren der Vergangenheit
Bis zum Zweiten Weltkrieg diente das Gschwandner als Vergnügungsstätte. 1960 zog für zwanzig Jahre eine Radiofabrik ein, gefolgt von einer Filmausstattungsfirma, die die Saalräumlichkeiten seit 1980 als Lager für Requisiten nutzte. Erich Bernard erzählt über seinen ersten Besuch im Gschwandner, als es vollgeräumt war mit skurrilen Film-Requisiten:
"Es gab einen Raum mit vergoldeten Spiegeln, einen Raum voll mit Lustern, einen anderen mit Ölgemälden – und sogar einen Raum mit Krankenhausausstattung. Im großen Saal stand eine Tischkonstruktion, die von oben bis unten behängt war mit Gegenständen. An der Wand sind viele Spuren zu finden, etwa die Umrisse verstaubter Bilderrahmen, oder die Beschriftungen. Diese Spuren machen eigentlich den Reiz der Räume aus."
Wiederbelebung der Traditionen
Da die Räume immer gepflegt und die Dächer immer dicht gehalten wurden, ist der Erhaltungszustand des Gschwandner-Komplexes gut, so Erich Bernard. Die Baugeschichte spiegelt den Erfolg des Unterhaltungsprogramms wider. "Es hat sich als guter Veranstaltungsort herausgestellt, und man hat begonnen, immer mehr funktionale Räume dazu zu bauen, etwa einen überdachten Eingang mit Kassa und Garderobe, später ein zweiter Saal, zahlreiche stüberlartige Erweiterungen – bis das ganze Agglomerat 1.700 Leute gefasst hat. Was man heute sieht, ist einfach eine Zwischenstation eines permanenten Veränderungsprozesses."
Dieser Veränderungsprozess wird nun wieder aufgegriffen: Ein Immobilienunternehmen hat das Gschwandner gekauft und will es als Veranstaltungsort wiederbeleben. Für die Planung der Sanierung zuständig ist Erich Bernard und das Büro BWM Architekten. Mit den alten Spuren und historischen Schichten wird, so verspricht der Architekt, umsichtig umgegangen werden: "Wir setzen fort, was 130 Jahre lang geschehen ist, nämlich das Gebäude zu aktualisieren, ohne das alte verschwinden zu lassen."
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Metro Verlag - Das Gschwandner