Kritik und Proteste dürften wirken

Verschwiegenheit: Entschärfung in Arbeit

Können Staatsanwälte künftig ungebremst Informationen aus Redaktionen, Praxen oder Kanzleien besorgen, obwohl diese einer gesetzlich verbrieften Verschwiegenheit unterliegen? Die betroffenen Berufsgruppen befürchten das und protestieren. Verfassungsexperten geben den Kritikern recht und das Justizministerium zeigt Wirkung: Entschärfungen werden vorbereitet.

Mittagsjournal, 8.3.2012

Aufweichung durch Gesetzesänderung

Es geht um den Paragraphen 112 der Strafprozess-Ordnung, der regelt, wie mit beschlagnahmten Schriftstücken und Datensätzen umzugehen ist. Bei solchen Aktionen im Zuge von Strafverfahren gehen die Ermittler meist sehr großzügig vor und nehmen mit, was sie finden können - was bei Computer-Festplatten zum Beispiel auch gar nicht anders geht. Betroffene können aber Widerspruch gegen die Beschlagnahme erheben, dann wird das Material versiegelt aufbewahrt und ein Richter entscheidet, was für das Verfahren bedeutsam ist und was nicht. Die geplante Gesetzesänderung weicht das jetzt auf.

Einschau ohne Gerichtsbeschluss

Beschuldigte sollen künftig keinen Einspruch mehr erheben dürfen, und Staatsanwälte würden mit Hilfe von Kriminalbeamten die beschlagnahmten Daten sichten, bevor ein Richter damit befasst worden ist. Besonders brisant wird das, wenn Journalisten oder Anwälte betroffen sind, die noch dazu - so die Kritiker - relativ leicht formell als Beschuldigte geführt werden können. Der Verfassungsrechtsexperte Bernd Christian Funk fehlt im Entwurf ein entscheidender Satz: "Nach alter Rechtslage ist ausdrücklich gesagt, dass diese Informationen, Aufzeichnungen, Datenträge, bevor sie ans Gericht gegangen sind, nicht eingesehen werden dürfen. Dieser Satz fällt nun weg."

Verschwiegenheitsrechte untergraben

Das Justizministerium begründet die Änderung mit der Beschleunigung von Verfahren, speziell bei Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen. Und das Ministerium stellt in den erläuternden Bemerkungen zur Novelle ausdrücklich den Bezug zu den Verschwiegenheitsrechten her: Durch die Berufung auf solch ein Recht, das oft auch nur behauptet werde, würden Verfahren um Monate verzögert, heißt es. Eine "maßgebliche Beschleunigung" der Verfahren erwartet sich das Ministerium auch dadurch, dass künftig Betroffene selbst sagen müssen, welche der beschlagnahmten Informationen etwa dem Redaktionsgeheimnis unterliegen - und das binnen vierzehn Tagen, sonst darf alles verwertet werden. Ein weiterer Punkt, der die Verschwiegenheitsrechte untergräbt.

Geänderte Fassung in Arbeit

Für den Verfassungsrechtler Funk ist völlig klar, "dass es zu einer Beeinträchtigung von Rechtspositionen Betroffener kommt. Das ist unvermeidlich. Es ist halt die Frage, ob der Gedanke der Verfahrensbeschleunigung diese Beeinträchtigungen rechtfertigt. Ich habe da meine Zweifel und offenbar hat auch das Ministerium Zweifel, weil ja wieder eine geänderte Fassung in Aussicht genommen wird." Konkret wird überlegt, dass Beschuldigte weiterhin ein Widerspruchsrecht haben sollen. Das wäre eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Novellen-Entwurf, sagt Funk. Aber fix ist noch nichts, sagt die Sprecherin von Justizministerin Karl. Man warte jetzt einmal eine Aussprache mit den Parlamentsfraktionen am kommenden Montag ab.