Wahl des neuen Stadtchefs
Politische Schlammschlacht in Hong Kong
Korruptionsvorwürfe und Hinweise, dass die Regierung in Peking hinter den Kulissen die Fäden zieht, bescheren der demokratischen Opposition in der ehemaligen britischen Kronkolonie starken Zulauf. Dass nicht die Bürger den Stadtchef wählen dürfen, sondern Vertreter von Berufsgruppen und einflussreiche Wirtschaftskapitäne, wird immer lauter kritisiert.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24. 3. 2012
Wahl geht an den Bürgern vorbei
Es geht um Luxus-Villen, Kontakte zur Mafia, uneheliche Kinder und Affären der zwei Top-Kandidaten. Keinen der beiden scheinen Hong Kongs Bürger besonders zu interessieren, die horrenden Miet- und Wohnungspreise oder die sozialen Missstände in Chinas modernster Stadt. Die Wahlauseinandersetzung rund um den nächsten Chief Executive, den Verwaltungschef, ist zu einer peinlichen Farce verkommen. Der von Peking ursprünglich unterstützte Kandidat, ein steinreicher Spross aus einer ebenso steinreichen Hong Konger Familie ist in der Öffentlichkeit diskreditiert. Sein Herausforderer politisch auch angeschlagen. Der dritte Kandidat, der Führer der demokratischen Opposition, ist inakzeptabel für die Machthaber in Peking und damit chancenlos.
Komitee wählt wen China will
Chinas Führer wollen zweierlei: dass die Wahl in Ruhe abläuft und ihr Kandidat gewinnt. Normalerweise funktioniert das so: zwei bis drei Männer immer aus einflussreichen Hong Konger Familien kündigen ihre Kandidatur für den Stadtchef an, die KP in Peking unterstützt einen davon. Und am Wahltag weiß das rund 1200 Personen zählende Komitee, bestehend vor allem aus Peking-loyalen Wirtschaftskapitänen und Vertretern von Berufsgruppen, wen sie zu wählen haben. Auf keinen Fall jemanden, der nicht die Unterstützung der kommunistischen Machthaber genießt.
Die Wahl im kleinen Kreis nennt dies spöttisch Hong Kongs Opposition, die zwar anders als auf dem chinesischen Festland öffentlich frei ihre Meinung sagen darf, politisch aber nur wenig Einfluss hat.
Druck auf Peking wächst
Dass die Öffentlichkeit von der derzeitigen Schlammschlacht zunehmend angewidert ist, dass die meisten keinen der beiden Kandidaten wollen, das könnte ironischerweise helfen, demokratische Reformen voranzutreiben, meint Willy Lam, Politologe an der Chinese University in Hong Kong. "Auch die ganz normalen, unpolitischen Bürger bekommen zunehmend das Gefühl, dass sie sich stärker engagieren müssen. Dass sie für das Prinzip ein Bürger, eine Stimme kämpfen müssen. Der Druck auf Peking wird zunehmen, Hong Kong die demokratischen Reformen zu erlauben, die die Menschen wollen."
Ein Land, zwei Systeme
Seit Großbritannien 1997 seine Kronkolonie an China zurückgegeben hat und das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" gilt, genießen die Bewohner Hong Kongs zwar Freiheiten wie sie sonst auf dem chinesischen Festland völlig undenkbar wären, allerdings will ihnen Peking frühestens 2017 erstmals zugestehen, den Verwaltungschef direkt zu wählen. Und ganz fix erscheint dieser Termin auch nicht.
Die schlechte Vorstellung der von Peking unterstützten Kandidaten ist für Chinas Machthaber jedenfalls peinlich. Denn die öffentliche Meinung in Hong Kong komplett zu ignorieren, das will man auf keinen Fall. Man wünscht sich ein friedliches und prosperierendes Hong Kong, das Freiheiten genießen, die Zentralregierung in Peking aber nicht herausfordern soll.