Orthodoxe Kirche vs. Aktionskunst

Moskauer Kulturkämpfe

In Russland ist ein heftiger Kampf zwischen der orthodoxen Kirche und Vertretern moderner Kunst ausgebrochen. Anlass ist die Aktion einer feministischen Punk-Band in der größten Kirche des Landes, den jungen Frauen drohen deshalb mehrere Jahre Haft.

Die Kirche will ihren Einfluss in der Gesellschaft vergrößern und moderne Kunst ist ihr dabei offenbar ein besonderer Dorn im Auge.

Kultur aktuell

Mit martialischen Vergleichen rechtfertigt die orthodoxe Kirche die Gewalt gegen Pro-Pussy-Riot-Demonstranten: "Es gibt in der Geschichte viele Beispiele in denen die Orthodoxe Kirche zu den Waffen gerufen hat, etwa im Jahr 1945."

Vergleich mit Nazi-Deutschland

Der Streit wird nicht mehr mit Worten sondern mit Fäusten ausgetragen. Bei einer Mahnwache vor dem Untersuchungsgefängnis, in dem drei Mitglieder der Band Pussy Riot in Isolationshaft sitzen, stürmen orthodoxe Aktivisten auf den Platz, bespritzen die Demonstranten der Gegenseite mit Weihwasser und verprügeln sie bis die Polizei eingreift - die natürlich nicht die "orthodoxen" Aggressoren festnimmt, sondern die Unterstützer der Pussy Riots.

Einer der Angreifer ist ein enger Mitarbeiter von Erzpriester Vsevolod Chaplin, dem Leiter der Abteilung für Außenbeziehungen der russisch-orhodoxen Kirche. Und Chaplin verteidigt den Angriff später in einem Fernsehinterview: "Die Orthodoxe Tradition sagt: Wenn deine Nächsten, deine Familie, deine Heimat, dein Glaube angegriffen werden, sollst du sie verteidigen. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele in denen die Orthodoxe Kirche zu den Waffen gerufen hat, etwa im Jahr 1945."

"Oh Gottesmutter, erlöse uns von Putin"

Der Aggressor, den Erzpriester Chaplin hier auf die gleiche Stufe stellt wie das nationalsozialistische Deutschland, ist die Band Pussy Riot, fünf junge Aktionskünstlerinnen, die sich in den letzten Monaten einen Namen mit Regime-kritischen Auftritten gemacht haben.

Sie stürmen in bunten Masken den öffenlichen Raum: den Roten Platz, Geschäfte, die U-Bahn. Die Bilder werden dann zusammengeschnitten, mit Musik unterlegt und auf YouTube veröffentlicht. Den Zorn der Obrigkeit haben die Pussy Riots mit einer Aktion in der Moskauer Christerlöser-Kathedrale Mitte Februar auf sich gezogen. Der Titel: "Oh Gottesmutter, erlöse uns von Putin".

Putin ist der Kirche etwas schuldig

Die Antwort der Obrigkeit folgte schnell: Drei der fünf jungen Frauen wurden verhaftet, bis Ende April sitzen sie in Isolationshaft, obwohl zwei von ihnen kleine Kinder haben - eine klarer Verstoß gegen die Verfahrensordnung.

Wegen Hooliganismus drohen ihnen bis zu sieben Jahre Gefängnis, erklärt Petr Verschilow, Ehemann einer der Verhafteten und Aktivist der bekannten Künstlergruppe Voina: "Das Gericht hat gar nicht versucht, das juristisch irgendwie zu begründen. Es war klar: Sie haben den Befehl von Oben bekommen, und oben bedeutet: Wladimir Putin. Putin sagt in der Öffentlichkeit nur ganz selten etwas Konkretes. Aber zu diesem Auftritt hat er Stellung genommen, er hat gesagt dass er ihm überhaupt nicht gefallen hat."

Die Kulturszene richtet sich bereits auf neue Angriffe der Orthodoxen Kirche ein. Nach den Prozessen gegen zwei Kuratoren im Jahr 2010, die wegen Herabwürdigung der Religion zu Geldstrafen verurteilt wurden, fühlt die Führung der Orthodoxie offenbar Rückenwind und sie kann sich prominenter Unterstützung sicher sein: Wladimir Putin ist der Kirche noch eine Gegenleistung dafür schuldig, dass sie ihn im Präsidentschaftswahlkampf offen unterstützt hat.