Die Großherzogin von Gerolstein
Wolfram Bergers fulminanter Parforceritt durch alle Rollen der Operette von Jacques Offenbach in der Übersetzung von Karl Kraus. Mit Theocharis Feslikidis am Klavier.
21. August 2018, 21:46
Mit seiner vom Klavier begleiteten Lesung der Offenbach-Operette "Die Großherzogin von Gerolstein" hat Karl Kraus das Verständnis für die Tiefenschichten in der Tollheit Offenbachs geweckt und eine Welt blühenden Unsinns entdeckt. Wolfram Berger stellte diese Welt in seiner virtuosen Version auf die Bühne des Großen Sendesaals.
Im fiktiven Herzogtum Gerolstein, um 1840: Eine junge Regentin, ein Graf, ein Prinz, Heerführer General Bumm und ein fescher, aber kriegsunwilliger Grenadier stehen im Mittelpunkt der Satire, in der durch Dummheit und Eitelkeit ein Krieg losgetreten wird, der aber einen turbulenten und unerwarteten Verlauf nimmt.
In der Übersetzung von Karl Kraus, in der das Stück vom Erhabenen zum Lächerlichen changiert, klingen auch Bruchstücke aus "Die letzten Tage der Menschheit" mit. Wolfram Bergers rasante Rollenwechsel waren komisch, spannend, absurd und voller Überraschungen. Dem Wortjongleur gelang eine ebenso dichte, geniale wie blöde, ebenso tiefsinnige wie burleske, jedenfalls brillante Inszenierung. Begleitet wurde er dabei von Theocharis Feslikidis am Klavier.
Wolfram Berger im Interview mit Claudia Gschweitl:
Was ist denn für Sie das Spannende an dieser Operette?
Es ist die wohl sympathischste, liebevollste und vernichtendste Kritik am Politikmachen, an Militär und Militarismus, die jemals zu Papier gebracht wurde, hat einmal jemand geschrieben. Die Großherzogin von Gerolstein, umgeben von einem grenzdebilen Hofstaat, hin- und hergerissen zwischen ihrer Sehnsucht nach Liebe und ihrem Auftrag als Regentin. Da haben sich die Originalautoren Meilhac und Halévy sicher sehr vergnügt beim Schreiben und Karl Kraus hat mit seiner scharfen Feder sein Übriges getan und einen Riesengarten voll blühenden Unsinns bös' karikierend in Szene gesetzt. Und mit der Musik von Jacques Offenbach ergibt das einfach eine so genial-blöde wie auch tiefsinnige Geschichte.
Wie sind Sie auf das Stück gestoßen?
Es war eine Auftragsarbeit für die styriarte in Graz. Man ist an mich herangetreten, parallel zur vollbestückten Inszenierung von Nikolaus Harnoncourt und Jürgen Flimm quasi als "Beiprogramm" die Version von Karl Kraus mit Klavierbegleitung vorzutragen. Am Flügel Aris Feslikidis, ein wunderbarer junger griechischer Pianist und ehemaliger Schüler meines Freundes Markus Schirmer. Dazu gibt's eine nette Geschichte: Nach unserer ziemlich bejubelten Premiere kommt der Chef der styriarte, Mathis Huber, übers ganze Gesicht strahlend in die Garderobe und macht das schönste Kompliment, das ein Veranstalter einem machen kann und sagt: "Heast, das ist ja viel billiger!" Ich glaube, ich war so teuer wie der linke Stiefel von der Frau Großherzogin in der List-Halle. (lacht)
Sie wechseln während dieser Lesung zwischen neun verschiedenen Rollen, das verlangt sicher ein Höchstmaß an Konzentration.
Ja, das Ganze ist wie eineinhalb Stunden Florettfechten. Nach eineinhalb Stunden bist du ziemlich aufgekratzt und etwas erschöpft und sehr bereit für ein Achtel Weiß. Es war immer schon ein großer Wunsch von mir, leicht und flexibel zu sein, die Figuren und Sprachen, die verschiedenen Haltungen schnell wechseln zu können. Da haben mir unter anderem die Jazzmusiker gute Inspirationen gegeben. "Wolfi, der Jazzschauspieler ..." Das heißt, das Instrument beherrschen und damit in den unterschiedlichsten Haltungen und Formationen umgehen zu können. Ich habe z.B. in jungen Jahren einmal die ganzen "Letzen Tage der Menschheit" von Karl Kraus für die Schweizerische Blindenhörbücherei gelesen. Da musst du dir innert drei Stunden 50 verschiedene Figuren merken.
Mir war nichts zu blöd, um meine schauspielerische Gelenkigkeit auszuprobieren. Ich habe z.B. neben der klassischen Schauspielerei am Theater, also Shakespeare oder anderem klassischen Repertoire, ein großes Faible für Witze erzählen entwickelt – die kleinste dramatische Form, noch dazu mit einer Pointe am Schluss. Das ist eine gute Übung mit Spaßpotenzial. Ich singe auch für mein Leben gern. Und da geht's auch von Schubert und Schumann über Tom Waits und Paolo Conte bis zu Jazz Standards, Wienerliedern oder komplizierten Wortjonglierereien. Die Freundschaft und berufliche Begegnung mit tollen Musikern gehört überhaupt zum Schönsten. Angstfrei und entspannt zu arbeiten, ja, überhaupt zu leben, ist für mich das Wichtigste. Das Handwerk der Entspannung zu lernen, wird für mich immer bedeutsamer und lustvoller. Dann kann ich alles ausprobieren, was mir in den Sinn kommt. Und dazu gehört auch so ein Parforceritt wie "Die Großherzogin von Gerolstein".
Dadurch, dass Sie in so vielfältiger Weise aktiv sind, sind Sie auch schwer einem Markt zuordenbar. War das für Sie je ein Nachteil?
Was ich mache, ist Kabarett, ist Theater, ist Lesung, es ist Liederabend, es ist alles zugleich und doch auch wieder nicht. Ich switche zwischen den Stilen, den Temperaturen, den Stimmungen, den verschiedenen Sparten, den Medien usw. Ich switche auch innerhalb der diversen Programme zwischen vielseitig und einfarbig, zwischen laut und leise, egal ... wie es das Material und der Wolfram Berger verlangen. Zum Vermarkten ist das jetzt nicht unbedingt das Nonplusultra, wenn man nicht einzuordnen ist. Aber für mein Ego ist es sehr bereichernd. Und für einige andere Leute auch. Oder für ganz viele ... (lacht)
Anzeige
Eine Veranstaltung in Kooperation mit "Die Presse", unterstützt von der PRIVAT BANK AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.
Service
Die Großherzogin von Gerolstein
Freitag, 11. Mai 2012
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Link:
Wolfram Berger
Übersicht
- Diverses