Mord oder Notwehr?

Debatte über Rassismus in Justiz

Eine Frage erregt die USA: War es ein kaltblütiger, rassistisch motivierter Mord, oder war es ein Akt der Selbstverteidigung, durch den der 17-jährige Trayvon Martin Ende Februar in der Gegend von Orlando in Florida ums Leben kam? Erschossen von einem Mann, der bis heute auf freiem Fuß lebt, weil dieser sich darauf beruft, sich bedroht gefühlt zu haben.

Morgenjournal, 28.3.2012

Weitgehendes Recht auf Selbstverteidigung

Der Fall hat in den USA eine heftige Debatte über Rassismus im Justizsystem und laxe Waffengesetze ausgelöst. Der 17-jährige Trayvon Martin war am Abend des 26. Februar in Sanford von dem 28-jährigen Zimmerman erschossen worden. Der Jugendliche war unbewaffnet. Zimmerman, ein Weißer mit hispanischen Wurzeln, gab an, aus Notwehr gehandelt zu haben. Die Polizei glaubte dies und ließ ihn auf freiem Fuß. Dabei berief sie sich auf das "Stand Your Ground"-Gesetz (Weiche nicht zurück), das den Bürgern in Florida ein besonders weitgehendes Recht auf Selbstverteidigung einräumt.

Protest von Bürgerrechtlern

Einen Monat nach dem Tod des afroamerikanischen Jugendlichen sind die meisten US-Bürger für die Festnahme des Schützen. Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage des Senders CNN sprachen sich 73 Prozent der Befragten dafür aus. Rund 8.000 Menschen versammelten sich in Sanford, wo die Tat geschah, zu einem Protestmarsch. Daran beteiligten sich auch Bürgerrechtler wie Al Sharpton und Jesse Jackson. "Dieser Fall zeigt tiefgreifende Ungerechtigkeiten", sagte Jackson. Es gehe um "rassistische" Komponenten. Eine Petition zur Strafverfolgung Zimmermans wurde im Internet inzwischen von rund zwei Millionen Menschen unterzeichnet.

Aussage des Schützen

Zimmermans Familie weist einen rassistischen Hintergrund vehement zurück. Der Schütze selbst, gegen den die Staatsanwaltschaft eine Anklage vorbereitet, hat sich bisher noch nicht öffentlich geäußert. Die Zeitung "Orlando Sentinel" berichtete am Montag, Zimmerman habe bei der Polizei ausgesagt, dass Martin ihn mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt habe. Anschließend habe sich der Teenager auf ihn gestürzt, um seinen Kopf auf den Gehsteig zu schlagen. Der Zeitung lagen nach eigenen Angaben Zeugenaussagen vor, die diese Version bestätigen.

Thema im Wahlkampf

Präsident Barack Obama hatte sich vergangenen Freitag in die Debatte eingeschaltet. Er forderte eine Aufklärung der "Tragödie" und sagte, "wenn ich einen Sohn hätte, würde er aussehen wie Trayvon". Daraufhin warf der republikanische Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum Obama vor, den Fall "politisieren" zu wollen. Santorums parteiinterner Konkurrent Newt Gingrich nannte Obamas Worte "schändlich", weil sie das Land spalteten. Jeder junge Mensch in den USA müsse sich sicher fühlen, unabhängig von seinen ethnischen Wurzeln. (APA, Red.)