Porträt von Anarkia

Graffiti-Kunst als Gesellschaftskritik

Die brasilianische Graffiti-Künstlerin Anarkia benützt Graffiti, um die Welt zu verbessern. Die optischen Botschaften, mit denen sie brasilianische Städte überschwemmt, haben meist ein Thema: die Lage der Frau. Um das Recht auf den eigenen Körper geht es da, um häusliche Gewalt oder Macht.

Für ihre Arbeit wurde Anarkia, die im normalen Leben Panmela Castro heißt, bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet; heuer erhielt sie etwa den Diane von Fürstenberg Human Rights Award. Außerdem wurde sie heuer zusammen mit der Präsidentin Brasiliens, Dilma Rossef, vom "Newsweek Magazine" nominiert als eine der "150 Frauen, die die Welt bewegen".

Kulturjournal, 17.04.2012

Panmela Castro ist eine rassige Brasilianerin mit blond gefärbter Haarmähne. Ihre Augen leuchten kämpferisch, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Anarkia ist ihr Künstlername, obwohl sie keine Anarchistin ist. Der Name ist ihr geblieben, weil sie schon mit 15 - aus eine konservativen Familie kommend - mit den Graffiti begann und damals die A's in einen Kreis setzte. Seit damals bedeuten Graffiti für sie Freiheit.

Graffitis haben den Vorteil, dass jeder sie sieht und niemand daran vorübergehen kann, ohne sie wahrzunehmen. Jeder kann sie entschlüsseln, auch Analphabeten, die in Brasilien einen Prozentsatz von 11,4 Prozent ausmachen.

Workshops zusammen mit anderen Künstlerinnen

Ein wichtiges Thema für Anarkia ist etwa die Abtreibung, die in Brasilien verboten ist. Daher sterben viele Frauen bei illegalen Abtreibungen. Aber es gibt Fortschritte: Erst vor wenigen Tagen, am 12 April, wurde ein neues Gesetz verabschiedet: Es erlaubt die Abtreibung, falls beim Fötus eine Anenzephalie vorliegt, also das Baby ohne Gehirn zur Welt kommen würde. Auch ein Gesetz, das die häusliche Gewalt unter Strafe stellt, gibt es neuerdings in Brasilien - ebenfalls ein Thema, das sie in ihren Graffitis immer angeprangert hat.

Um auch anderen Frauen das Werkzeug in die Hand zu geben, sich politisch zu artikulieren, hat Anarkia die Organisation NAMI gegründet, in der sie mit 30 anderen Graffiti-Künstlerinnen zusammenarbeitet. In Workshops, die in den brasilianischen Favelas abgehalten werden, werden die Forderungen noch einmal potenziert. Auf diese Weise haben sie im letzten Jahr mit mehr als 1000 Frauen Graffitis produziert.

Männer in Frauenposen

Besondere Freude macht den Frauen die vor zwei Jahren begonnene Serie, in der Machos in lasziven Frauenposen als Lustobjekte darstellt werden. Die Serie trägt den Titel "eat art" und soll Männer wie Frauen dazu verleiten, über die Bedeutung geschlechtsspezifischer Posen nachzudenken.

Graffitis sind in Brasilien nicht nur beim breiten Publikum beliebt, sie sind auch erlaubt: Seit 2009 wird ihr Wert als Kunstwerk höher bewertet als der Gebäudewert. Obwohl Graffitis in anderen Ländern verboten sind: Immer wieder wird Anarkia mit ihren Workshops auch nach New York, Berlin oder Toronto eingeladen. Oder nach Wien, wo sie gerade im MUMOK mit Workshop-Teilnehmern eine Wand im MQ bemalt hat.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Anarkia