Hoffen auf eine supranationale Demokratie
Robert Menasse zu Europa
Rund 90 Intellektuelle haben in einer gemeinsamen Erklärung vor einem Ende der Europäischen Union gewarnt - in einem "Manifest zur Neugründung der EU von unten", das in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde.
8. April 2017, 21:58
Zu den Unterzeichnern des Manifests gehören die Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz und Herta Müller, der Philosoph Jürgen Habermas, die Regisseure Robert Wilson und Patrice Chéreau und Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ebenso wie die früheren Europa-Politiker Jacques Delors und Javier Solana.
Von österreichischer Seite ist Robert Menasse mit dabei. Der Wiener Autor hält sich immer wieder in Brüssel auf, um für einen "Europaroman" zu recherchieren und er ist mittlerweile auch ein international gefragter Europa-Experte, der sich in Interviews und Essays mit Gedanken zur europäischen Krise zu Wort meldet.
Kulturjournal, 10.05.2012
Kristina Pfoser im Gespräch mit Robert Menasse
Kultur aktuell, 10.05.2012
"Wir möchten der europäischen Bürgergesellschaft eine Stimme geben", heißt es in dem Manifest der Autoren, Künstler und Politiker. Sie fordern die EU und die europäischen Regierungen und Parlamente auf, "die nationalen Demokratien europäisch zu demokratisieren und auf diese Weise Europa neu zu begründen."
Die erste Maßnahme: ein "freiwilliges europäisches Jahr" für alle, und das soll so aussehen: Die Teilnehmer gehen in ein anderes europäisches Land und erlernen dessen Sprache. Sie wirken an einem gemeinschaftlichen Projekt mit, das sie selbst vorschlagen oder das von den EU-Agenturen vor Ort empfohlen wird.
"Projekt Europa"
Das Brüsseler Institutionengefüge kennt Robert Menasse mittlerweile genau. Monatelang ist er für die Recherchen zu seinem aktuellen Romanprojekt am Sitz der Europäischen Kommission im Berlaymont-Haus fast täglich ein uns ausgegangen.
Als österreichischer Autor ist Robert Menasse in Sachen "Projekt Europa" ein Rufer in der Wüste. Sein Befund kurz zusammengefasst: "Die Krise der EU ist keine Finanzkrise, sondern eine politische Krise". Sichtbar wird das nicht zuletzt am Beispiel Griechenland.
Die EU zerbricht am Nationalismus und an kleingeistiger Politik, warnt Robert Menasse und er plädiert für eine Stärkung des Europäischen Parlaments und die Abschaffung des Europäischen Rates. Und Robert Menasse prophezeit: Die Krise wird so dramatisch werden, dass - aus der Not heraus - ein kühneres Denken möglich werden wird. Und da setzt er auf die jüngere Generation und hofft auf eine supranationale Demokratie engagierter Bürgerinnen und Bürger.
Textfassung: Ruth Halle