Anklage wegen Völkermordes

Prozess gegen Mladic hat begonnen

Vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien hat am Vormittag der seit Jahren erwartete Prozess gegen den Ex-Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, begonnen. Die Verlesung der Anklageschrift gegen Ratko Mladic ist mit sechs Stunden anberaumt.

Mittagsjournal, 16.5.2012

Elf Anklagepunkte

Der Prozessbeginn wurde in Bosnien von TV-Sendern in beiden Landesteilen direkt übertragen. Beim Betreten des Gerichtssaales zeigte der frühere bosnisch-serbische Armeechef die erhobenen Daumen und klatschte in die Hände. Mladic hat sich in elf Anklagepunkten für Völkermord in der ehemaligen bosniakischen (muslimischen) Enklave Srebrenica und in einigen anderen Gemeinden, für die Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen die Gepflogenheiten der Kriegsführung zu verteidigen. Mladic habe "die ethnische Säuberung in Bosnien" selbst in die Hand genommen, sagte Ankläger Dermot Groome zum Prozessauftakt. Er schilderte detailliert den Mord an 140 Männern im zentralbosnischen Dorf Vecici im November 1992.

Wirkt nicht krank

Mladic verfolgte die Verlesung der Anklage regungslos. In dunklem Anzug, hellem Hemd mit dunkler gemusterter Krawatte machte sich der 70-Jährige immer wieder Notizen. Der bei seiner Verhaftung vor einem Jahr schwer kranke Mladic wirkte körperlich gesund und ausgeruht. Von Zeit zu Zeit verzog er abschätzig den Mund und spielte mit seiner Lesebrille, die er pausenlos auf- und absetzte. Bei Anhörungen vor dem Prozess hatte er sich nicht ausführlich zur Anklage geäußert, diese aber als "monströs und ekelhaft" bezeichnet.

Parallel zu Karadzic-Prozess

Mladic wurde nach 16-jähriger Flucht im Mai 2011 im Dorf Lazarevo in der nordserbischen Provinz Vojvodina gefasst. Die Anklage gegen Mladic ist mit jener identisch, aufgrund der schon seit gut zwei Jahren ein Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska, Radovan Karadzic, läuft. In diesem Prozess wurde kürzlich das Beweisverfahren abgeschlossen. Mladic und Karadzic standen laut der Anklage an der Spitze jenes verbrecherischen Vorhabens, das auf eine dauernde und gewaltsame Beseitigung von bosnischen Muslimen und Kroaten vom Gebiet Bosniens unter der Kontrolle der Serben abzielte. Diese Gebiete sollten dem einheitlichen serbischen Staat angeschlossen werden. "Ratko Mladic hat zur Erreichung dieses Ziels zusammen mit anderen an dem Verbrechen an unterschiedlichen Stellen mitgewirkt. (...) Als höchster Offizier der Streitkräfte der Serbischen Republik hatte Mladic die wirksame Kontrolle über die Kräfte, die an den Verbrechen beteiligt waren. Mladic ist angeklagt, Verbrechen geplant, geschürt und befohlen zu haben", heißt es in der Anklageschrift. (Text: APA, Red.)

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