Ausgang weiter völlig offen
Wahl-Feiertag in Ägypten
In Ägypten geht die Präsidentenwahl zu Ende. 50 Millionen Wählerinnen und Wähler sind aufgerufen, erstmals unter freien und demokratischen Bedingungen ihre Stimme abzugeben. Der Ausgang ist völlig offen, nicht einmal die Favoriten für die Stichwahl sind einzuschätzen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24.5.2012
Karim el-Gawhary in Kairo im Gespräch mit Christl Reiss
Freude über neue Freiheit
In Ägypten ist der Donnerstag ein offizieller Feiertag, damit auch die Beamten wählen gehen können. Der Ansturm auf die Wahllokale ist aber erst für Nachmittag und Abend zu erwarten, weil es relativ heiß ist. Die neue Wahlfreiheit berührt die Menschen. So hat ein Menschenrechtler geschildert, dass er nach der Stimmabgabe "wie ein kleines Kind" geweint habe - vor Freude darüber, dass die Menschen jetzt in freien Wahlen ihre Führung bestimmen können.
Intensive Diskussionen
Die Ägypter, keinerlei Erfahrung mit direkter Demokratie, absolvieren einen Lernprozess: Während sie bei den Parlamentswahlen noch wenig über die Kandidaten wussten, wurde jetzt seit Wochen in den Familien diskutiert. Und die Leute wissen, dass sie, wen auch immer sie wählen, nachher politisch zur Rechenschaft ziehen können.
Keine klaren Favoriten
Zur Wahl stehen zwölf Kandidaten, die sich auf drei Lager aufteilen: die Vertreter des alten Regimes, unter ihnen der letzte Premier Mubnaraks, Ahmed Shafi, aber auch Amru Mussa, einstiger Generalsekretär der Arabischen Liga und Mubaraks Außenminister. Dann der zweite Block mit dem Moslembruder-Kandidaten Mohammed Mursi. Und schließlich eine Reihe liberalerer Bewerber mit abtrünnigen Moslembrüdern bis hin zu Linken und Nationalisten. Der Ausgang ist offen, es ist zum ersten Mal in der ägyptischen Geschichte, dass man nicht weiß, wer Präsident sein wird. Es ist nicht einmal abzuschätzen, wer es in die Stichwahl schafft. Mindestens fünf Kandidaten können sich Chancen ausrechnen, in die Stichwahl Mitte Juni zu kommen.
Was macht das Militär?
Spannend wird es sein, ob das Militär tatsächlich wie angekündigt seine Macht an den gewählten Präsidenten abgibt. Das wird der erste große Streitpunkt sein, denn die Kompetenzen des Präsidenten sind in noch keiner Verfassung festgelegt. Möglicherweise wird das ein Prozess wie in der Türkei, dass das Militär langsam aus der Politik gedrängt wird. Es wird dabei darauf ankommen, wie sich der Präsident, das Parlament und auch die Straße verhalten werden.