Flexibles Arbeiten in London

Im Mekka der europäischen Coworking Szene

Vor ein paar Monaten verkündete der britische Arbeitsminister eine Gesetzesänderung, wonach jeder Angestellte ab 2013 flexible Arbeitsbedingungen einfordern kann. Bereits jetzt gibt es schätzungsweise vier Millionen Homeworker in Großbritannien.

60 Prozent der neuen Firmengründer verzichten auf ein Büro. Gearbeitet wird im Homeoffice, am Küchentisch oder im Café, unter anderem, um sich die teure Miete zu sparen.

Für jene die für das Arbeiten daheim oder im Kaffeehaus nicht geschaffen sind, hat London einiges zu bieten. Denn dort gibt es derzeit die meisten Coworking Spaces in Europa. An die zwanzig sind es und es werden fast täglich mehr.

Zentrales Büro im Central Working

Gegründet wurde der hippe Coworking Space vor einem Jahr von zwei ehemaligen Airline Managern von Virgin Atlantic. Ihnen war aufgefallen, wie viele Mobilarbeiter täglich in Flughafenlounges Zeit verbringen.

Bei der Gründung ihres Coworking Spaces haben die zwei nichts dem Zufall überlassen. Fast zwei Jahre verbrachten sie mit der Recherche und mit Umfragen unter Mobilarbeitern, um ihre geheimsten Wünsche und Bedürfnisse zu ergründen.

"Jeder meinte: wichtig ist, dass der Kaffee gut ist. Und darauf haben wir geachtet," sagt einer der Gründer, Steve Pette. Darüber hinaus stammt alles, was im Café verkauft wird, von den Mitgliedern. "Der Kaffee, das ganze Essen, der ganze Bürobedarf, der Tee. Wir wollen wirklich eine Umgebung schaffen, in der wir den Unternehmern, die hier arbeiten, unter die Arme greifen und ihnen beim Wachsen helfen."

Die beiden Gründer sind überzeugt, dass durch den derzeitigen Coworking Boom der Bedarf an solchen Orten steigt und denken deshalb schon an die Eröffnung von Filialen. "Wir planen längerfristig die Eröffnung von Filialen in jeder größeren Stadt in Großbritannien, aber auch in Europa und in den USA. Wir haben alles was wir dafür brauchen: eine Marke, ein Geschäftsmodell und eine Community."

Third Door - der dritte Raum

Weder das Zischen einer Kaffeemaschine noch sanfte Jazzmusik empfängt einen, wenn man den Coworking Space Third Door betritt, sondern kreischende Kleinkinder. In einer gehobenen Wohngegend im Südwesten Londons gibt es seit zwei Jahren einen Ort, der zweierlei sein will: Büro und Kinderbetreuungsstätte.

Vom Empfangsbereich, wo sich Kinderwagen stapeln, gelangt man durch eine mit einem Zahlencode gesicherte Tür in den Krippenbereich. Die Sicherheitsbestimmungen für Kinderkrippen sind ziemlich streng in England. Die meisten Kinder machen nach dem Mittagessen noch ein Nickerchen, ein paar spielen mit den drei Betreuerinnen. In einer Ecke wird gestillt. "Wir haben sehr viele Mütter, die stillen. Sie kommen dann einfach für kurze Zeit runter und gehen dann wieder rauf arbeiten", erklärt Gemma Mans. Sie organisiert die Kinderbetreuung bei Third Door.

Im oberen Stock befindet sich ein schlichter Bürobereich, der 25 Coworkern Platz bietet. Neben einer Küchenzeile und mehreren kleineren Besprechungszimmern stehen in der Mitte des Raumes zwei echte Londoner Telefonzellen, in denen man in Ruhe seine Telefongespräche führen kann. An diesem Freitag Nachmittag arbeiten hier sechs Frauen und zwei Männer.

"Der Weg in die Arbeit dauert bei mir mehr als eine Stunde. Wenn ich hier arbeite, spare ich mir zwei Tage die Woche zwei Stunden, die ich mit meiner Tochter verbringen kann." Kirsty Blair arbeitet in der Finanzbranche. Obwohl sie Vollzeit angestellt ist, arbeitet sie seit ihre Tochter fünf Monate alt ist zwei Tage die Woche bei Third Door. "Außerdem ist es für mich auch angenehmer, nicht in der Firma zu sein, ich krieg hier viel mehr weiter."

Gegenüber sitzt ihr Mann, der selbstständig ist und auch zwei Tage die Woche im Coworking Space arbeitet. Einen Tag pro Woche verbringt ihre 21 Monate alte Tochter bei den Großeltern.

Ein paar Tische weiter sitzt die Neuseeländerin Natasha Judd. Vor ihr am Tisch liegt ein riesiger Spielzeugdinosaurier. Sie hat sich nach der Geburt ihrer Tochter in der Marketingbranche selbstständig gemacht. Aber das zu Hause arbeiten war nicht ganz ideal. "Ich hatte meine Tochter auf dem Schoß, während ich mit Kunden telefoniert habe, sie hat dabei die Kabel aus dem Computer rausgezogen usw. Nach einem Monat habe ich mich dann nach anderen Möglichkeiten umgesehen."

Im Gegensatz zu den meisten anderen hier wohnt Natasha Judd nicht in der Nachbarschaft. Sie fährt täglich mit ihrem Baby eine Stunde mit dem Bus zu Third Door. Dort trifft sie sich auch mit den Kunden oder hält Workshops für andere Mitglieder ab. Ungefähr 100 Nutzer hat der Coworking Space, ein Viertel davon sei regelmäßig da, meint Kinderbetreuerin Gemma. Das Konzept sei voll aufgegangen und so denkt auch das Third Door-Team ans Expandieren:

"Wir kriegen jeden Tag Mails von Leuten, die sagen: oh es wäre großartig, wenn es so etwas auch in North London oder in Manchester gäbe. Also hoffentlich gibt es in einem Jahr mehrere Third Door."