Symposion zum Jubiläum

50 Jahre Oberhausener Manifest

Das Oberhausener Manifest aus dem Jahr 1962 gilt als die Geburtsstunde des jungen deutschen Films. Regisseure, die bisher nur mit Kurz- und Dokumentarfilmen aufgetreten waren, unter ihnen etwa Alexander Kluge, forderten in der damaligen verknöcherten Filmindustrie bessere Produktionsbedingungen.

Mit gewagten Experimenten und bisher unbekannten erzählerischen Ansätzen wollten diese Filmemacher neue künstlerische Maßstäbe setzen und sich gleichzeitig politisch engagieren. Ein zweitägiges Symposion hat sich mit der Bedeutung des Oberhausener Manifests beschäftigt und diese revolutionäre Epoche des deutschen Films neu in Erinnerung gerufen. Veranstaltet wird es vom österreichischen Filmmuseum und den Oberhausener Kurzfilmtagen, in Kooperation mit VIS - Vienna Independent Shorts, Synema und dem Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft der Universität Wien.

Kulturjournal, 08.06.2012

"Papas Kino ist tot." Mit diesem Schlachtruf traten vor 50 Jahren 26 junge Filmschaffende auf den Plan, um ein neues deutsches Kino aus der Taufe zu heben. Das Kommerzkino der damaligen Zeit, das einerseits vom leutseligen Heimatfilm bestimmt war und andererseits mit Edgar-Wallace-Verfilmungen Kassenschlager zu verbuchen hatte, sollte einem Filmschaffen Platz machen, das sich den Problemen der Gegenwart stellte. Es ging aber nicht nur darum, ein neues Verständnis zu schaffen, vorerst fehlten noch die grundlegendsten Strukturen.

Die Zeit für das Manifest war günstig gewählt. Der alte Film hatte gerade Einbrüche zu beklagen: Weil das Fernsehen aufkam, gingen die Zuschauerzahlen zurück. 1962 kam es aber auch zu teils gewalttätigen Demonstrationen gegen die Obrigkeit. Eine Stimmung des Aufbruchs und des Aufbegehrens lag in der Luft, gerade in München, wo die Unterzeichner des Manifests zu Hause waren.

Aber auch die Bavaria, die Fabrik, die Papas Kino produzierte, hatte ihren Sitz in München. Nicht weit davon traf sich die Künstlerboheme in ihren Stammlokalen in Schwabing, die zum Teil heute noch existieren, erzählt Heinrich Adolf, Philosoph und Filmhistoriker.

Vorteil der Literatur

Bei den Oberhausenern handelte es sich keineswegs um eine homogene Gruppe. Vielmehr gab es zahlreiche interne Grabenkämpfe. Da warf ein Journalist dem einen Filmemacher ein zu geringes politisches Engagement vor und arbeitete am Film eines anderen aktiv mit. Und auch inhaltlich gab es eine weite Streuung. Alexander Kluge beschäftigte sich mit der jüngsten deutschen Vergangenheit, Ferdinand Khittl mit naturwissenschaftlichen Innovationen und Peter Schamoni gestaltete farbenfrohe Künstlerporträts. Kluge war es auch, der damals vom Vorsprung der Literatur gegenüber dem Film gesprochen hat.

Obwohl der direkte Brückenschlag mit der Literatur nicht gelang, fanden sich im Erzählkino der Oberhausener doch ähnliche Entwicklungen. Auch hier wollte man weg von handlungsgetriebenen Geschichten und hin zu mehr Reflexion. Auch im Dokumentar- oder Essayfilm ging es um das Brechen herkömmlicher Sehgewohnheiten.

Der "Urknall " des deutschen Films

Erstaunlich ist es, dass Ende der 50er Jahre gerade Multikonzerne filmische Innovationen eingeleitet und gefördert haben. Image- und Industriefilme besaßen damals, so Jörg Becker, einen ganz anderen Stellenwert.

Die Unterzeichner des Manifests mussten übrigens einen langen Atem beweisen. Von der Unterzeichnung des Manifests im Februar 1962 bis zum ersten realisierten Langspielfilm eines Oberhauseners vergingen nämlich ganze fünf Jahre.

Als Urknall des jungen deutschen Films wurde das Oberhausener Manifest schon bezeichnet. Tatsächlich kamen die ersten Filme junger Regisseure wie Werner Herzog erst durch die Unterstützung der Oberhausener zustande.

"Der alte Film ist tot, wir glauben an den neuen." Mit diesem Satz endete das Manifest und begann eine innovative Ära des deutschen Films, die man derzeit im Österreichischen Filmmuseum einer Neubetrachtung unterziehen kann.

Textfassung: Ruth Halle

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