Gemischte Gefühle

Wiener Festwochen - erste Bilanz

Gute fünf Wochen lang haben sie gedauert - am Montag findet die letzte Vorstellung der heurigen Wiener Festwochen statt. Es waren die vorletzten Festwochen unter der Leitung von Luc Bondy, der ab Herbst parallel zu Wien das Pariser Odéon-Theater übernimmt. Eine Zahlenbilanz gibt es erst am Dienstag. Die Ö1-Kulturredaktion hat schon jetzt eine kritische künstlerische Bilanz gezogen.

Mittagsjournal, 15.6.2012

Was wird bleiben von den Wiener Festwochen 2012 - Der Hauch von Hollywood und Cate Blanchett, die Porno-Phantasien der bösen Seidl-Buben, das Schiff, mit dem Mnouchkine Schiffbruch erlitt, oder doch die Handkamerabilder aus dem Fritzl-Keller? Für viele waren es großartige und beglückende Festwochen - für viele waren sie enttäuschend, beliebig und zerfranst. Und was waren Sie für Geschäftsführer Wolfgang Wais: "Ich würde sie als unglaublich intensiv charakterisieren", sagt er und betont die positiven Reaktionen des Publikums.

Auch wenn heuer mehr Aufführungen ausverkauft waren als im Vorjahr, gab es viele Produktionen, die das Publikum ratlos und verstört zurückließen und so manche Vorstellung wurde vorzeitig verlassen.

Ein recht spezifisches Interesse erforderten die zahlreichen kleineren Produktionen. Da gab es Familiengeschichten aus Argentinien oder dem Kongo, ein achtstündiges chinesisches Tanztheater, eine Lecture-Performance über die britische Ostindien Kompanie, oder die schräge Geschichte vom indischen Elefantengott Ganesh,der nach Nazi-Deutschland reist - und die ein australischer Regisseur von behinderten Menschen aufführen lässt.

Politisch brisant und vor allem für die Alltagswirklichkeit des Publikums relevant waren die Nebenschienen "Into the city" und "forum Festwochen", die sich des Integrationsthemas oder der Stadtentwicklung angenommen haben.

Die großen Produktionen der bekannten Festwochen-Player, lieferten statt neuer Impulse bewährt Poetisches. Eine verträumte Mnouchkine, einen artifiziellen Handke, einen verlangsamten Marthaler und eine 30 Jahre alte Botho-Strauss-Geschichte, der Cate Blanchett Leben einhauchen durfte.

Wolfgang Wais sagt dazu: "Es gibt halt Jahre, in denen man mit Althergebrachtem zuschauermäßig einen Grundstock schafft, um dann die Experimente zu machen."

Im Gegensatz zum engagierten Schauspielprogramm von Stephanie Carp ist das Musiktheater mit zwei Produktionen nahezu unsichtbar. Kein großer Wurf bei der "La Traviata" und eine von Mailand übernommene zeitgenössiche Oper, was angesichts der Doppelfunktion von Stephane Lissner als Intendant der Scala und Musikdirektor der Wiener Festwochen eine schiefe Optik abgibt.

Auch Intendant Luc Bondy wird ab Herbst mit der Leitung des Pariser Odeon noch etwas weniger Energie in sein letztes Intendantenjahr legen können, bevor man 2014 auf eine Neupositionierung der Festwochen durch Markus Hinterhäuser hoffen darf.