Wahlkampf geht ohne klaren Favoriten zu Ende

Morgen wählen die Griechen ein weiteres Mal ihr Parlament. Stärkste Kraft wird Umfragen zufolge entweder die konservative Nea Dimokratia mit ihrem Parteichef Antonis Samaras oder die linksradikale, eurokritische Syriza mit dem Shootingstar unter den griechischen Politikern, Alexis Tsipras. Mit eindrucksvollen Schlussveranstaltungen haben beide Parteien ihre Wahlkämpfe im Zentrum von Athen beendet.

Mittagsjournal, 16.6.2012

Verena Gleitsmann berichtet aus Athen.

"Popstar" Alexis Tspiras

Der Omonia Platz in Athen, das inoffizielle Zentrum der griechischen Arbeiter, ist an diesem Abend ein Meer aus roten und weißen Fahnen. Hunderte Menschen sind zu der riesigen Bühne gekommen, um Alexis Tsipras, den Chef der linksradikal Syriza-Partei zu sehen. Sie haben Banner und Plakate mitgebracht, sie singen und sie rufen nach ihm. Endlich ist es so weit: Tsipras fährt in einer dunklen Limousine vor, wie ein Filmstar wird er von Bodyguards begleitet.

Unter tosendem Applaus betritt er die Bühne. Alexis Tsipras, das charismatische neue Gesicht unter Griechenlands Politikern, gibt den Menschen am Omonia Platz das, was sie hören wollen: Erleichterung und Hoffnung. Er verspricht ihnen beides: weniger Steuern, höhere Gehälter und bessere Pensionen und gleichzeitig das Verbleiben in der Eurozone: "Wir sagen Ja zum Euro, ja zur Eurozone, aber nicht um jeden Preis!"

Syriza gibt Hoffnung

Es sind Kampfansagen wie diese, die die Menschen in seinen Bann ziehen. Er ist ein neues, unverbrauchtes Gesicht, dem die politikverdrossenen Griechen ihr Vertrauen schenken wollen. "Unsere Politiker haben das Land betrogen und uns wie Zitronen ausgequetscht. Tsipras ist anders als die," sagt die Sekretärin Olga. "Syriza ist die einzige Partei, die uns bessere Zeiten bringen kann und die uns Hoffnung gibt."

"Die anderen Parteien haben die schlimmste Sorte Politiker und sie haben in der Vergangenheit oft bewiesen, dass sie nutzlos sind", sagt der junge Lehrer Alexis. Auch er wird morgen Tsipras seine Stimme geben.

Die Leute kämpfen mit den Auswirkungen der alten Politik. Viele haben keine Arbeit mehr, Lokale und Geschäfte sind geschlossen und die Leute verstehen nicht warum. Sie wählen jetzt Syriza.

Dass Alexis Tsipras Griechenland aus der Eurozone führen wird, daran glauben seine Anhänger nicht. Doch die jetzigen Sparauflagen seien nicht mehr tragbar, sagt der 50jährige Polizist Yannis: "Die Politik der anderen Parteien wird unser Land aus der Eurozone führen, sie werden uns ins Desaster führen." Mehr als 2.500 Menschen haben sich in den letzten zwei Jahren wegen der Krise umgebracht, eine menschliche Tragödie.

Samaras: "Nein zur Drachme, Nein zur Krise"

Die Gegenveranstaltung findet ein paar Straßen weiter statt, am Syntagma Platz, vor dem griechischen Parlament. Es ist der schönere Platz, den sich der Chef der konservativen Nea Dimokratia Partei, Antonis Samaras, ausgesucht hat, mit großen Bäumen, teuren Cafés und einer riesigen Bühne mit Blick auf das Parlament.

Die Zukunft mit Syriza werde düster, wird der Chef der Nea Dimokratia nicht müde zu betonen. Die Angst vor dem Ungewissen ist der Inhalt seines Wahlkampfes, aus den Lautsprechern der Bühne dröhnt dramatische Musik. Kommt Tsipras, komme das Ende des Euro und das Ende Griechenlands, sagt Samaras; und er sagt: Nein zu der Drachme, Nein zur Krise.

Nea Dimokratia steht für Stabilität und Sicherheit

Antonis Samaras, im eleganten Anzug und sorgsam gekämmten Haaren, bietet den Griechen das Gegenstück zu dem polternden Linken Alexis Tsipras. Stabilität und Sicherheit sind seine Schlagworte. Die Zustimmung am Syntagma Platz ist groß. Hunderte Menschen sind auf den Syntagma Platz gekommen, sie haben ihn in ein Meer von schwenkenden Fahnen verwandelt, die Fahnen der Partei und die blauweißen Fahnen Griechenlands.

Dem Land, dem nur Samaras Sicherheit geben kann, sagt der 70-jährige Angelos: "Die Nea Dimokratia ist momentan die einzige Partei, die für Europa und für den Euro ist und das ist die Sicherheit für Griechenlands Zukunft." Dass viele Leute Syriza wählen werden, kann Angelos nicht verstehen. Syriza sei eine populistische Partei, die den Leuten nur Träume verkauft, sagt der 34-jährige Konstantinos.

Umfragen: Tsipras vorne

"Wir haben keine Zeit zu verlieren, am Montag brauchen wir die richtige Regierung, die anfängt zu arbeiten. Wir arbeiten hier sehr hart und wir brauchen jemanden der uns unterstützt, wie ihn", sagt die 42-jährige Rita, die mit ihren beiden Kindern auf den Syntagma Platz gekommen ist.

Die Wahl zwischen Antonis Samaras und Alexis Tsipras spaltet die Griechen. Die Prognosen sagen ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. In den letzten Umfragen liegt Samaras aber noch vorne.