Generalverdacht gegen Kindergärtner

Nicht einmal ein Prozent der Pädagogen in Österreichs Kindergärten sind Männer, obwohl ein höherer Männeranteil für die Kinder und aus Sicht vieler Eltern sehr wünschenswert wäre. Doch neben dem Nachteil von nicht allzu üppiger Bezahlung und stehen Männer unter dem Generalverdacht, zu sexuellen Übergriffen zu neigen.

Mittagsjournal, 13.6.2012

Stefan Kappacher hat zwei Pädagogen gefragt, wie sie mit dem Generalverdacht umgehen.

"Immer mit einem Fuß im Kriminal"

Martin Geider arbeitet seit elf Jahren als Kindergartenpädagoge, Thomas war fünf Jahre lang Hortpädagoge im Bereich der Gemeinde Wien. Beiden Männern ist das Problem des Generalverdachts vertraut. Das gehe soweit, dass man zumindest zu zweit bei den Kindern sein muss, damit man irgendeinen Zeugen dabei hat. "Männer alleine mit Mädchen ist immer eine sensible Geschichte gewesen", sagt Thomas, der auch die Empfehlung kennt, wonach in den städtischen Kindergärten in Wien die Männer nicht wickeln oder mit den Kindern aufs Klo gehen dürfen. "Das wurde aber nie wirklich festgelegt, sondern einfach als Regel übernommen: Passen wir lieber auf, machen wir's lieber so, damit ja nichts passieren kann." Denn wer mit Kindern arbeite, stehe unter strenger Beobachtung. Ein Stress, der zum alltäglichen Stress der Betreuungsarbeit dazu komme, sagt Martin Geider: "Unser Berufsstand steht immer mit einem Fuß im Kriminal, egal ob es Richtung sexueller Übergriffe, Gewalt oder Unfälle geht."

Schwarze Schatten

Von der Vorsicht zur Diskriminierung ist es aber nur ein kleiner Schritt: "Die Ängste der Eltern muss man wahrnehmen und ernstnehmen. Ich weiß aber nicht, ob diese Vorverurteilung eines Geschlechts in diesem Berufsstand so zweckdienlich ist."

Thomas weiß, was der Generalverdacht und seine konkrete Ausformung in der Praxis durch vage Anschuldigungen für Folgen haben kann: "Wenn so eine Verdächtigung ausgesprochen wird, zieht man immer einen schwarzen Schatten hinter sich her. Sei es im eigenen Kopf, weil man einfach davor Angst hat. Und wenn es öffentlich ist, wird man auf jeden Fall wie ein rohes Ei behandelt."
Martin Geider weiß nicht, ob das Vertrauen in der Gesellschaft allgemein zerrüttet ist. Er habe in seiner elfjährigen Tätigkeit bei "Kinder in Wien" jedenfalls nur Positives zurückbekommen. Er habe noch nie etwas gehört, was auch nur in die Richtung sexueller Übergriffe gegangen wäre.

Abschreckende Gründe

Aber auch Martin Geider weiß, dass dieser Punkt mitentscheidend ist, ob das Projekt mehr Männer in die Kindergärten Erfolg hat oder nicht: "Ich denke, dass viele Männer definitiv das Zeug dazu hätten, aber es schreckt ein großes Spektrum an Gründen ab. Sei es der Stress, dass es gesellschaftlich nicht angesehen ist, sei es wegen dem mangelnden Gehalt und schließlich eben auch wegen der Möglichkeit solcher Vorwürfe."

Als Mann müsse man an die Wichtigkeit der Elementarpädagogik glauben, extrem motiviert und alles andere als ein Softie sein. Allein schon wegen der vielen Kolleginnen müsse man ein "gestandener Mann und tough" sein, sonst überlebe man keinen Tag, sagt Geider scherzhaft. Es komme aber auch viel zurück, von den Kindern sowieso, aber auch von den Eltern: "Weil es doch viele alleinerziehende Mütter gibt, wo die Vaterrolle in der Familie fehlt." Gerade aus dieser Richtung komme positives Feedback.

Für Martin Geider passt sein Job trotz der Probleme auch weiterhin gut. Thomas hat zu viel von der Schattenseiten gesehen und sich beruflich neu orientiert. Er wird nicht mehr mit Kindern arbeiten.