D - GR: Abrechnung am Fußballfeld
Ausgerechnet Griechenland und Deutschland, die derzeit erbitterten Gegner in der Euro-Schuldenkrise, kämpfen am Abend in der Fußball-EM um den Aufstieg ins Halbfinale. Viele Griechen machen die Deutschen mitverantwortlich für die finanzielle Lage in ihrem Land – und wollen am Fußballfeld mit ihnen abrechnen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 22.6.2012
Aus Athen berichtet Verena Gleitsmann.
11 : 11.000.000
Elf Griechen auf dem Fußballfeld, elf Millionen Griechen vor den Fernsehern. Das ganze Land hält seiner Mannschaft die Daumen, auch der 53jährige Kioskbesitzer Costas: "Wir werden gegen die Deutschen gewinnen, sie sind eine starke Mannschaft und ein starkes Land, aber sie glauben immer, dass sie besser sind als wir. Deshalb müssen wir sie schlagen und Frau Merkel gleich dazu."
Symbolhaftes Match
Deutschland und Angela Merkel - die aktuellen Lieblingsfeinde der Griechen. Vor allem die deutsche Bundeskanzlerin halten viele für mitverantwortlich an der Krise, sagt der 32jährige Giorgos: "Wir sind enttäuscht, weil wir oft attackiert werden und die Leute in Europa mit dem Finger auf uns zeigen. Wir hören vor allem oft von den Deutschen, dass sie uns raus haben wollen aus der Eurozone und das ist schmerzhaft. Deshalb wird es bei diesem symbolhaften Match recht emotional zugehen."
Geschürte Schuldzuweisungen
Die Griechen haben nach Verantwortlichen für ihre prekäre Situation gesucht und sie haben sie in den Deutschen gefunden, sagt der griechische Journalist Thymios Babanatsas. Die Griechen hätten zu viele Warnungen, Drohungen und Schuldzuweisungen gehört, sagt Babanatsas. Das habe das Verhältnis zwischen den Ländern nicht unbedingt verbessert. Denn die radikallinke SYRIZA-Partei habe das Prinzip der Schuldzuweisungen während ihres Wahlkampfes perfektioniert, sagt der griechische Zeitungsjournalist Tasos Telloglu. Diese Eigenschaft liege den Griechen in den Genen.
"Kämpfen um unseren Stolz"
Das Fußballspiel gegen Deutschland sei für viele Griechen daher mehr als ein sportliches Ereignis, sagt der 32-jährige Giorgos: "Natürlich hat das Match nichts mit Politik zu tun, aber wenn wir gewinnen, ist das auch eine politische Botschaft: Wir sind vielleicht wirtschaftlich schwach, aber sonst sind wir stark. Wir werden um heute unseren Stolz kämpfen." Und die Griechen sind optimistisch: Am Ominia-Platz im Stadtzentrum von Athen wird bereits die blau-weiße Fußballparty vorbereitet.