Vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert
Kulturgeschichte des Sports
Der deutsche Historiker Wolfgang Behringer erzählt in seinem Buch die Kulturgeschichte des Sports vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert. Behringer beschreibt die Sportgeschichte als Alltagsgeschichte, wie sich Sport im Lauf der Jahre verändert hat.
8. April 2017, 21:58
Für Fußballspieler und Fans wohl undenkbar: die Anzahl der Spieler war je nach Belieben, jeglicher Körpereinsatz war erlaubt, nur Mord und Totschlag waren verboten, das Spielfeld war nicht eingegrenzt, als Tore dienten oftmals nur die Stadttore und die Spieldauer konnte sich von in der Früh bis spät am Abend erstrecken.
So beschreibt ein Ordenspriester aus Nottinghamshire Anfang des 11. Jahrhunderts die damals vorherrschenden Sitten bei Fußballspielen, besser gesagt bei Fußballschlachten.
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Junge Burschen befördern während dieses Spiels einen riesigen Ball, aber sie werfen ihn nicht etwa mit der Hand, sondern stoßen ihn mit den Füßen. Ein recht abscheuliches Spiel, um nicht zu sagen gewöhnlich und unwürdig des Menschen, unnützer als jedes andere Spiel. Überdies endet es selten ohne Unfall.
Wolfgang Behringer schildert auf knapp 400 Seiten alles, was man über die Geschichte des Sports wissen sollte: Er erzählt vom Ursprung: den Griechen und den Olympischen Spielen, den römischen Gladiatorenkämpfen und Ritterturnieren als Zeitvertreib für den Adel, während sich das Volk mit Steinschlachten und Fäusten bekämpft.
Besonders interessant ist Behringers "Kulturgeschichte des Sports" dank der Detailverliebtheit des Autors. Behringer schreibt nicht nur über Sportarten und den Sport an sich, er erklärt akribisch Zusammenhänge zu historischen Ereignissen und sportliche Anekdoten über Kaiser Karl V, Heinrich VIII und Isaac Newton.
Er erklärt die sprachliche Herkunft vieler Begriffe aus dem Bereich Sport und Redewendungen, die ihren Ursprung im Mittelalter haben und noch immer aktiv in unserem Wortschatz verwendet werden. Sagt man heute beispielsweise: "Jemand wirft seinen Hut in den Ring", dann möchte dieser sich bemerkbar machen. Bis zum 19. Jahrhundert war das allerdings die Geste, mit der man den Sieger eines Boxkampes herausgefordert hat.
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Wenn jemand "den Vogel abschießt", denkt man nicht mehr an das "Vogelschießen" als Teil der ordentlichen Volksbelustigung. Zuerst wurde auf echte Vögel geschossen, sobald dieses Vergnügen jedoch in Quellen auftaucht, geht es immer um eine bunt bemalte Holzfigur, am liebsten in Form eines Papageis.
Auch die Weisheit "Mens sana in corpore sano", die heute oft als Werbespruch für Gesundheits- und Fitnessprodukte dient, hatte ursprünglich eine andere Bedeutung: Der römische Dichter Juvenal hatte mit seiner Aussage "In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist" eine andere Intention.
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Der Kontext ist eine scharf formulierte Satire, die sich außer über den Sport auch noch über die Götterverehrung lustig macht: "Aber damit du was hast, worum du betest, weshalb du vor dem Schreine die Kutteln und göttlichen Weißwürste opferst, sollst um gesunden Geist in gesundem Körper du beten.“ Juvenal wollte darauf hinweisen, dass in den gesunden Körpern der Athleten oft überhaupt kein entsprechend gut gebildeter Geist steckte.
Können und Eleganz statt Hiebe und Fäuste lautet das Credo in der frühen Neuzeit, Fußballschlachten weichen täglichen Leibesübungen. Der moderne Sport entsteht, Mediziner und Pädagogen erkennen die Wichtigkeit der sportlichen Betätigung. Dank des Buchdrucks verbreiten sich im 16. Jahrhundert auch Spielregeln und Sporthandbücher und tragen so zu zur Entstehung einer europäischen Sportkultur bei.
Beim Tennis beispielsweise wird heute noch genauso gezählt wie vor über 500 Jahren. Auch zu Sportarten wie Ringen und Fechten, Bodenturnen und Voltigieren, akrobatischen Übungen und Tanzsport wird Literatur verfasst. Der Straßburger Schulreformer Johannes Sturm stellt in seinem Gymnasium sogar mehrere "Spielmeister" ein, in seiner Schulordnung im Jahr 1587 wird festgehalten.
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Zwei oder eine Stunde vor dem Mittagessen haben die Studenten den Körper zu üben. Solche Körperübungen sind: Lautes Lesen, Singen, Spazierengehen, Reiten, im Schiffe fahren, Laufen, Springen, das Werfen der Kugeln oder des eisernen Pfahls, besonders aber das Spiel mit dem kleinen Ball.
Ein kleiner gelber Ball spielt auch in Paris eine große Rolle, die französische Hauptstadt wird im 15. Jahrhundert zur Tennis-Hauptstadt mit über 100 Tennisplätzen. Der Adel hat nicht nur in Paris den Tennisschläger geschwungen, die berühmteste Sporthalle der Weltgeschichte steht in Versailles, schreibt Behringer.
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Hier fand am 20. Juni 1789 der Ballhausschwur statt, mit dem die Abgeordneten des Dritten Standes schworen, sich einer Auflösung durch die Monarchie zu widersetzen. Dieses Ereignis verhalf der Französischen Revolution zum Durchbruch, die man aber erstaunlicherweise selten mit dieser Sporthalle in Verbindung bringt.
Orte ehemaliger Sporthallen, die zu Theatern oder Tanzhäusern umgebaut wurden, sind im architektonischen Gedächtnis erhalten geblieben, wenn auch nur teilweise: Ballhausstraßen oder zum Beispiel der Ballhausplatz in der Wiener Innenstadt waren einstige Sportstätten.
Wolfgang Behringer schreibt auch ausführlich über den Mythos der größten Spiele im Altertum, die Olympischen Spiele. Im 20. Jahrhundert waren zeitweise eher unübliche Sportarten bei den Spielen zugelassen: Tauziehen, Kanonenschießen, Drachenfliegen, Tauben schießen, Lebensretten, Seilklettern, Hundeschlittenrennen, Cricket, Crocket und Kunstreiten.
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Nach wie vor führt das IOC das Kartenspiel Bridge und das Brettspiel Schach sowie Spiele wie Bandy, Billard, Boule und Bowling - unter den anerkannten Sportarten, die somit prinzipiell für die Olympischen Spiele in Frage kommen.
Im wenigen Wochen treten die Athleten in 26 eher klassischen Sportarten an, London ist als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2012 die einzige Stadt der Welt, die zum dritten Mal die Spiele austragen darf. Sport hin oder her, schreibt Behringer am Ende seines Buches, trotz Kommerz, Höchstleistungs- und Rekordmanie sprechen wir immer noch von "Spielen".
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Wolfgang Behringer, " Kulturgeschichte des Sports. Vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert", C.H.Beck Verlag